50.000 Dinge - "Guten Morgen" am Münsterplatz - Aachener Nachrichten

Pataphysische Forschungs- und Lesereise (7.1) - Aachen (Samstag)
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 -
Teil 4.1 - Teil 4.2 - Teil 5.1 - Teil 5.2 - Teil 6.1 - Teil 6.2

Leider bin ich ein verfluchter Frühaufsteher. Um sechs Uhr morgens werde ich wach. Coster hat in der Nacht vergessen, der antiken Pendeluhr den Hals umzudrehen. Sie hat mir wohl die ganze Zeit die Stunden geschlagen. Aber das habe ich nicht gehört. Ich höre nur, wenn meine innere Uhr bimmelt. Eine Weile liege ich noch da und schaue im Zimmer rum. Ich habe schon oft hier geschlafen, doch immer wieder entdecke ich Gegenstände oder Bilder, die ich vorher nicht gesehen habe. Thomas besitzt wohl an die 50.000 Dinge. Er war einmal in Afrika und hat gesehen, dass die Menschen dort nicht 500 Dinge besitzen. Viele Inder auf dem Land nennen auch nicht mehr ihr Eigen. Es ist schwer zu beurteilen, wie viele Dinge man braucht, um glücklich zu sein. Wo nicht Mangel herrscht, haben die Dinge natürlich gar nichts mit Glück zu tun, auch wenn uns die Händler erzählen, es wäre so. 50.000 Dinge zu besitzen, würde mich belasten. Wer jedoch ein Sammler ist, sieht das anders. Für ihn ist jedes Ding ein Teil seiner privaten Geschichtsschreibung.

Gegen halb acht fahre ich mit dem Rad auf den Münsterplatz, um zu frühstücken. Bei Nobis, wo ich früher oft und gern gesessen habe, stehen die Stühle noch nicht draußen, also setze ich mich vor das Café direkt im Schatten des Aachener Doms und genieße die morgendliche Stimmung auf dem Platz. Thomas steht grundsätzlich nicht vor halb elf auf. 10 Uhr ist für ihn mitten in der Nacht. Wir haben das schon eingeübt. Ich lasse ihn schlafen, bis er den Morgen begrüßt, und bringe aus der Bäckerei die Brötchen mit.

Vor den Stufen von St. Foillan hat früher immer eine alte Bettlerin im Rollstuhl gesessen. Sie ist weg. Ein Mann in ärmelloser Jeansjacke hat ihren Platz eingenommen, geht da auf und ab und grüßt jeden Frühaufsteher, der vorbeikommt. „Morgen“, „Moorgen“, „Guten Morgen“, „Morgen“, „Morgeen“, - es nervt. Vor allem scheint diese Methode zu betteln nicht jeder zu verstehen. Manche grüßen zurück und gehen weiter. Eine Weile habe ich Ruhe, denn er hilft bei Nobis, die Stühle herauszutragen und verdient sich einen Kaffee im Becher. Ein anderer Bettler kommt vorbei, und sie schimpfen über einen Kollegen. Der Grüßautomat regt sich auf. „Dat jeht doch net, wie dä do vör de Dür steht! Wenn dä Herr Nobis jlich kütt, dann kritt dä en Knallzijarr!“ Der Bettler, dem die Knallzigarre droht, ist ein völlig verdrecktes Bild des Jammers. Weit vorne übergebeugt steht er vor dem Eingang von Nobis und balanciert zitternd auf den Fußspitzen, dass man fürchtet, er würde jeden Augenblick auf die Nase fallen. Man kann sich nicht jeden Tag über die Erbärmlichkeit unserer reichen Gesellschaft aufregen, die solches Elend hervorbringt. Aber dieser Mann, der unwissentlich um eine Knallzigarre bettelt, hängt mir eine Weile nach.

Thomas ist noch nicht wach. Ich setze mich auf den Balkon und lese die Zeitung, die ich unterwegs gekauft habe. Eigentlich sucht der selbstbezügliche Halunke in mir nur den Artikel, den die Aachener Nachrichten über mich veröffentlicht haben.

Vor meiner Fahrt hat mich ein Redakteur des Lokalteils angerufen. Wir telefonierten eine gute halbe Stunde, und er zeigte sich sehr angetan von meinem Projekt. Thomas erzählte mir später, seine Apothekerin hätte die Zeitung auf mich aufmerksam gemacht, aber die Aachener Nachrichten wollten die Sache exklusiv haben. Man befindet sich in einem Konkurrenz- und Überlebenskampf mit der größeren Aachener Zeitung, die im selben Verlag erscheint. Früher waren beide Zeitungen unabhängig, doch inzwischen werden sie von einem gemeinsamen Chefredakteur geleitet, und nur der Lokalteil unterscheidet sich wesentlich.


Offline-Lesereise AN(Lesen: Klicken und mit STRG + vergrößern)

Redakteur Werner Breuer hat einen stattlichen Bericht veröffentlicht, sogar eine Grafik passend zur Überschrift machen lassen. Am Schluss wird auf die heutige Veranstaltung im Kerstenschen Pavillon hingewiesen. Dafür, dass ich mich oft kritisch über das Printmedium äußere, bin ich hier bestens bedient. Jetzt brauche ich nur noch anständig zu lesen.

Fortsetzung: Schon wieder nasses Hemd - Alptraum der Familie Mantels - Ich beichte, schmunzle und gebe zu denken
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Über Aachen - Kleiner Schornstein isst das Feuer - Ärgerliche Teilchenphysik

Pataphysische Forschungs- und Lesereise (6.2) - Aachen (Freitag)
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 -
Teil 4.1 - Teil 4.2 - Teil 5.1 - Teil 5.2 - Teil 6.1

68 Stufen führen hinauf zu Costers Wohnung, und es ist eine Wendeltreppe. Er läuft voraus, ich kann kaum folgen. Das liegt aber nicht daran, dass ich gut 430 Kilometer Radfahren in den Beinen habe. Thomas steigt diese Wendeltreppe immer schneller als ich, denn die Windungen seiner Treppe schaufeln ihn hinauf in sein Reich über den Dächern der von ihm so geliebten Stadt Aachen. Als Stadtplaner hat er sie Jahrzehnte mit gestaltet. Es muss ein gutes Gefühl sein, das eigene Werk von oben betrachten zu können.

Die Treppe endet unter einem Lichtschacht. Man steigt quasi über die dunkle Wendeltreppe ins Tageslicht. Hier hängen große farbige Poster im Rund, und neben der Wohnungstür stehen ein paar große Pflanzen. An der Wand lehnen gerahmte Bilder, die er selbst gemalt hat. Die meisten Bilder, überwiegend Zeichnungen, befinden sich in einem Raum, der vom kleinen Flur abzweigt. Ich war noch nie darin, aber es müssen viele Bilder sein. 150 hat er im letzten Winter ausgestellt, eine ganze Reihe davon verkauft, wie er überhaupt schon viele Bilder verkauft hat. Thomas sagt, in diesem Raum „liegen noch Hunderte, die keines Menschen Auge je erblickt hat.“ Er hat den gezielten Strich des Architekten, aber seine Motive sind nicht die eines Architekten. Viele Bilder haben etwas subtil Erotisches. Man sieht nicht auf den ersten Blick, woran es liegt, erst wenn man ihm auf die zeichnerischen Schliche gekommen ist, enthüllt es sich.

Auf dem großen runden Wohnzimmertisch liegt ein aufgeschlagener Autoatlas. „Ich wollte doch mal sehen, wie du gefahren bist“, sagt Thomas. Wir sprechen nicht weiter darüber, denn im Augenblick will ich gar nichts vom Radfahren wissen, sondern bin glücklich, endlich in Aachen zu sein. Das ist ein bisschen wie nach Hause zu kommen, denn ich habe die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht. Thomas und ich sind uns erst vor wenigen Jahren begegnet, beim Ehepaar Perplies. Sie betreiben die Galerie, in der ich am Sonntag lesen werde. Ich hatte zuvor die Laudatio für die Ausstellungseröffnung meines Freundes Rudolf gehalten. Sie hatte den Galeristen gut gefallen, und sie luden mich dann mehrmals zum Essen ein. Beim dritten Mal war auch ein freundlicher Mann eingeladen. In der unterhaltsamen Runde griff er immer wieder zu einem schwarzen Notizbüchlein und notierte, was er gerade Interessantes gehört hatte, Wörter, Wortwendungen, Zitate, Buchtitel und so fort. Schon immer habe ich gerne zugeschaut, wenn jemand mit der Hand schreibt, und weil es fast anachronistisch ist, hat mich das sogleich für Thomas eingenommen, aber natürlich erlag ich auch seiner Liebenswürdigkeit. Inzwischen ist er mein Anker in Aachen, seine Wohnung mein Hafen, seit ich in Hannover lebe.

Thomas holt schöne alte Gläser, schenkt den Begrüßungssekt ein, und wir trinken auf meine glückliche Ankunft. Bald nehmen wir Flasche und Gläser mit auf seinen Balkon, der sich an der Rückfront des Hauses entlang zieht. Aachen liegt ganz prächtig in der Sonne, und gegenüber im leichten Dunst erhebt sich der Lousberg, auf dem ich am morgigen Samstag lesen werde. Die Lesung im Kerstenschen Pavillon hat Thomas organisiert. Ich wollte dort gerne auftreten, weil dieser barocke Pavillon einer der Handlungsorte des Internetromans „Die Papiere des PentAgrion“ ist. Thomas hat es zu seiner Sache gemacht, die Lesung mit der Lousberggesellschaft abgesprochen, die den Pavillon von der Stadt gepachtet hat, eine Vielzahl von Freunden angeschrieben, noch mal nachgehakt, wenn sie nicht antworteten, denn er wollte „den Laden vollkriegen.“

Bis tief in die Nacht sitzen wir in seiner Küche. Und wieder geraten mir die Welten durcheinander, diese Welt und die Romanwelt, in der er Jeremias Coster ist, Professor für Pataphysik an der RWTH Aachen. Coster erzählt mir von den Aachener Kaminen, über die er einmal im Stadtmagazin geschrieben hat. Und weil ich das Thema so ungewöhnlich finde, zeigt er mir den Artikel. Er endet mit dem schlichten und doch so schillernden Satz: „Sie werden und wurden übrigens nie von Schornsteinfegern geputzt.“ Das Verhalten der Schornsteinfeger wirft kritische Fragen auf, zu deren Erörterung wir aber nicht kommen, denn längst sind wir bei einem anderen Thema.

Irgendwann schiebt Coster mir einen kleinen Schlot aus Messing über den Tisch und sagt: „Den schenke ich dir.“ Es ist aber kein Miniaturkamin, sondern ein Zigarettenlöscher, und er hat auch mehr die Form einer bauchigen Vase. Die ganze Zeit versucht Coster mir beizubringen, meine Kippe hineinzustecken. Das kann ich auch, obwohl das Loch im Zigarettenlöscher naturgemäß kleiner sein muss als der Zigarettenlöscher selbst. Trotz dieser probaten Lösung für mein Zigarettenausdrückproblem versuche ich immer wieder die Zigarette im Aschenbecher auszudrücken. Es passen ja manchmal nur kleine Dinge in meinen Kopf, aber immerhin. Dann sollte doch so ein furzkleiner Zigarettenlöscher auch hineingehen. Zum Glück hat der Mann eine Engelsgeduld, wartet wie ein guter Lehrer, ob ich es selbst kann, und erst wenn er sieht, dass meine Hand erneut zum Aschenbecher irrt, weist er freundlich auf den Zigarettenlöscher hin und erklärt nochmals dessen Funktion. „Du brauchst die Zigarette nur hineinzustecken, einfach mit der Glut hineinfallen zu lassen. Sie verlöscht von selbst.“

Ich habe noch ein weiteres Problem, „ein Loch im Glas“, wie Coster diagnostiziert. Das verstehe ich gar nicht, denn um das Glas bilden sich keine Lachen. Der gute Rosé müsste doch nur so vom Tisch tropfen. Liegt es wieder an der dubiosen Teilchenphysik? Ist mein Glas auf Quantenebene mit dem eines Chinesen verbunden, der am anderen Ende des Erdballs sitzt und staunend seinen Becher in die Luft hält, weil der auf rätselhafte Weise immer wieder gefüllt wird? Wir haben den Ärger, aber der Chinese lacht. "我快乐地倒空奇妙罐头,不用地面", wird er sagen, was in etwa bedeutet: "Heiter leere ich die wunderbare Kanne ohne Boden."

Mein Bett hat Thomas mit einer teuren Bettwäsche von Wolfgang Joop bezogen. Es ist nicht so, dass ich unbedingt mit Joop im Bett liegen wollte. Ich weiß aber die Geste zu schätzen. Die Wäsche ist nachtblau und wirklich hübsch. Aber richtig sehe ich sie erst am Morgen, ich bin einfach zu betrunken.

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Reisende unerwünscht - Dicke Hosen in Düsseldorf - Ein Fotobeweis verschwindet

Pataphysische Forschungs- und Lesereise (6.1)
Essen – Kettwig – Ratingen – Düsseldorf – Neuss – Aachen
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 -
Teil 4.1 - Teil 4.2 - Teil 5.1 - Teil 5.2

Wer sagt, ich hätte bei der letzten Strecke gemogelt und wäre in Neuss in den Zug nach Aachen gestiegen, dem schicke ich die berüchtigten Teppichhaus-Humorexperten auf den Hals. Aber es ging nicht anders. Ich bin in Essen zu spät losgefahren, habe mich zu lange an der schönen Ruhr gesonnt, in Ratingen konnte ich mich nicht vom feudalen Treiben losreißen, zuletzt hielt mich das Düsseldorfer Straßengewirr zurück. Ich würde lieber zehnmal in der Stromberger Schweiz um das eiserne Windrad kreisen, als mich noch einmal mit dem Rad durch Düsseldorf zu fädeln. Man bedenke, ich hatte dort eine aparte Begleitung, wurde eine Weile von einer attraktiven Blondine pilotiert. Und in der Stromberger Schweiz sah ich nur Kühe und Gänse.

Essen - Rathingen - Düsseldorf - NeusssWas aber vorher an meinen Kräften zehrt, ist der Anstieg aus dem Ruhrtal hinter Kettwig vor der Brücke. Das ist schon eine echte Bergprüfung. Immerhin scheint ganz prächtig die Sonne, so dass ich zum ersten Mal bei dieser Tour eine kurze Hose tragen kann. Aus den Eigenheimen entlang des engen, steilen Weges hat man gewiss einen schönen Blick auf das Ruhrtal, aber man muss es mögen, den Dachfirst zu haben, wo der Obernachbar in seinen Keller geht. Die wenigen Leute, die ich hier sehe, beäugen mich missmutig.
Ja, muss denn dieses Radfahrer-Gelumpe vorbeikommen? Wir sind hier gerne unter uns.

Auf dem Höhenrücken fahre ich durch ein vornehmes Neubaugebiet. Da hat man eine ziemlich breite Straße anlegen müssen, damit man sie nicht mit den Auffahrten der Anwesen verwechselt. Es rollt jetzt leicht ins weite Rheintal hinunter. Anfangs geht der Blick über die Rheinebene, doch bald tauche ich in den Wald Richtung Ratingen. Zweimal werde ich durch Autofahrer gefährdet. An einer Einmündung nimmt mir ein eiliger junger BMW-Fahrer ungerührt die Vorfahrt, und eine junge Mutter will mir mit dem Kotflügel ihrer Allradkarosse den Unterschenkel rasieren, weil sie noch nicht weiß, wie breit ihre Karre ist. Als Radfahrer muss man das locker an sich abtropfen lassen. Es gibt Lebenswelten, da passt man einfach nicht hinein.

Ratingen soll eine schöne Altstadt haben. Ich sehe nicht viel davon, als ich durch die Fußgängerzone schiebe, weil ich zu sehr durch den mondänen Trubel abgelenkt bin. Nirgendwo habe ich so viele gut betuchte Menschen gesehen wie in Ratingen. Die Geschäfte sehen ebenfalls teuer aus. Bänke gibt es kaum, denn wer sich hier in die Sonne setzen will, soll das gefälligst vor einem der vielen Restaurant oder Cafes tun. Am kleinen Platz vor einer Kirche sitze ich auf einer Art Truhe. Rechts von mir ist ein florierender Blumenstand. Da steht ein selbstgewisser, dicker rheinischer Bauer unter der Markise und verkauft, was er hat. Links parkt ein Ausstellungswagen für Schallschutzfenster. Ein Vertreter steht linkisch davor, guckt die Leute heischend an, wagt aber nicht, sie anzusprechen, geht mal ein paar Schritte hin und her, wechselt auf die andere Seite, steht rum, geht wieder auf und ab und weiß nicht wohin mit den Händen. Der Mann fühlt sich erkennbar unwohl in seinem grünbraunen Firmen-T-Shirt. Es ist in der Tat eine unansehnliche Farbkombination. Doch er müsste sich deshalb nicht schämen. Die Leute sehen ihn gar nicht. Sie tragen die Nasen so hoch, wie man es vermutlich nur in der Gegend von Düsseldorf kann. Ratinger geben sich nicht in der Öffentlichkeit mit Vertretern ab. Was hat den Mann bloß dazu getrieben, sich mit seinen Fenstern hierhin zu stellen? Wenn Ratingen seine letzte Hoffnung ist, kann er sich gleich erschießen.

Beim Schreiben über Ratingen habe ich mich gefragt, ob meine Eindrücke zutreffen oder ob ich mich von Stimmungen habe hinreißen lassen. Deshalb habe ich eine Weile recherchiert. Die Kaufkraft von Ratingen liegt gemessen am Bundesdurchschnitt bei 139 Prozent. Das wird nur noch vom Hochtaunuskreis und vom Landkreis Starnberg getoppt. Zum Vergleich: Düsseldorf 119,7 Prozent - Hannover 104 Prozent - Aachen 96,3 Prozent - Landkreis Uecker-Randow 73,5 Prozent (letzter Platz).

Am Ortsausgang
biegt eine junge blonde Frau auf den Radweg ein. Sie trägt ein Kleid und Pumps und sitzt bequem aufgerichtet auf ihrem Rad, ist aber so schnell, dass ich eine Weile brauche, zu ihr aufzufahren. Ich bemühe mich nicht wirklich darum. Man soll mir nicht nachsagen, ich würde hinter jungen Blondinen herjagen. In Düsseldorf-Rath überhole ich sie, doch weil die Beschilderung lückenhaft ist, stehe ich bald ratlos herum, und da kommt sie wieder vorbei. Ob das die Radstrecke in die Innenstadt sei, frage ich. Sie lächelt beruhigend und sagt: „Ja, ich will auch dahin.“ Nachdem ich sie erneut hinter mir gelassen habe, stehe ich an der nächsten Kreuzung schon wieder still. Sie kommt heran und sagt: „Da lang!“ „Ich werde wohl besser hinter Ihnen herfahren“, sage ich. Düsseldorf ist die wahre Radfahrer-Diaspora. Mal gibt es einen Radweg, mal verliert er sich. Selbst die Blondine ist nicht immer sicher wie man am besten fährt, obwohl sie bis vor kurzem in Düsseldorf gewohnt hat. An ihrer alten Wohnung verlässt sie mich. Da fühle ich mich glatt ein bisschen verloren. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich vertraute Gebäude sehe und zum Rheinufer finde. Da halte ich mich nicht auf. Die Uferpromenade ist wirklich hübsch. Und ich liebe den Rhein. Aber das Schickimicki-Gehabe an der Promenade geht mir auf den Geist. Mit solchen Leuten will ich nicht unbedingt gesehen werden.

In der Nähe der Promenade liegt auch das Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung von Nordrhein-Westfalen. Irgendwo im lichtlosen Innenhof amtiert der Fahrradbeauftragte des Verkehrsministers im Range eines Oberregierungsrates. Seine Karriere ist gescheitert, weshalb er nur noch lustlos herumsitzt. Sein Amtsbereich ist groß, da kann er nicht klagen. Er darf in ganz Nordrhein-Westfalen das Prädikat „Fahrradfreundliche Stadt“ vergeben. Seine Ehefrau betreibt zufällig ein Schildergeschäft. Morgens kommt der Oberregierungsrat in sein Büro, begrüßt die Putzfrau, als wäre sie seine persönliche Referentin, aber nicht aus Leutseligkeit, sondern in Ermangelung einer richtigen persönlichen Referentin. In seinem Büro liest er zuerst einmal Zeitung. Gegen elf Uhr macht er sich an die Arbeit, wirft einen Dartpfeil auf eine große NRW-Karte und trifft zum Beispiel in die Gegend von Menden. Dann lässt er sich von der Telefonzentrale mit dem Rathaus von Menden verbinden. „Wie lang ist euer Fahrradwegenetz?“ „Alles in allem 350 Meter!“ „Glückwunsch! Das ist wirklich stattlich, da kann ich euch das Prädikat ‚Fahrradfreundliche Stadt’ verleihen. Zum Schluss wählt er die Nummer seiner Frau und sagt: „Ruth, du kannst einen Satz Schilder für Menden drucken.“ Feierabend.

In Wahrheit kann die Landesregierung nicht einfach solche Prädikate vergeben. Die Städte müssen sich bei der "Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Stadt" bewerben und Konzepte vorlegen. Und selbstverständlich sitzen im Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung nur hoch qualifizierte Verkehrsexperten. Sie arbeiten sich dumm und krumm an der stetigen Verbesserung des Radwegenetzes von NRW, sitzen in Konferenzen, halten Vorträge, besichtigen Vorzeigestädte. Da fahren sie natürlich mit dem Dienstwagen hin, sonst wären sie ja Tage unterwegs. Wer aber einmal mit dem Fahrrad quer durch Düsseldorf fährt, der ahnt, was diese Leute vom Radfahren halten.

In Düsseldorf habe ich Verwandte. Als Kind fand ich sie besonders fein, weil Düsseldorfer die Bestätigungsformel „Ja“ benutzen. Das klingt viel besser als das „Ne“ der Kölner oder das „Wa“ der Aachener. Düsseldorfer sind aber nicht feiner als andere, sie halten nur mehr auf sich. Manche tadeln die Düsseldorfer als überheblich, selbstgefällig und arrogant. Der Tadel ist ungerecht. Arroganz fällt nicht vom Himmel. Diese krankhafte Verformung der Psyche ist das Ergebnis sozialer Prozesse. Hinter einem selbstgefälligen Menschen steckt immer jemand, der ihn aufs Podest gestellt hat. Wo hebt man Düsseldorf in den Himmel? In der wesentlich älteren Stadt Neuss, gleich gegenüber auf der anderen Rheinseite. Wer als Neusser etwas auf sich hält, orientiert sich in allem an Düsseldorf. Eine blöde Hose, die man bei Selbach exklusive Herrenmode auf der Düsseldorfer Königsallee gekauft hat, ist besser als eine schöne Hose von einem Herrenausstatter in Neuss. Ich habe in Neuss das Schriftsetzerhandwerk gelernt und weiß, wovon ich rede. Die Gesellen verdrehten schwärmerisch die Augen, wenn sie von Düsseldorf sprachen, und als einer von ihnen eine Stellung als Kontakter bei einer Düsseldorfer Werbeagentur gefunden hatte, war das, als würde er ins Paradies abwandern. In der Berufsschule erkrankte mein Deutschlehrer. Da belegte mein Chef einen Deutschabendkurs für mich, selbstverständlich in Düsseldorf. Weil der Düsseldorfer vom Neusser derart angehimmelt wird, bildet er sich ein, etwas Besonderes zu sein. Armer Düsseldorfer. Aber der Neusser ist nicht besser dran. Affenliebe bei Menschen und Unterwürfigkeit sind schließlich auch krankhaft.

Eigentlich will ich gar nicht nach Neuss. Ich fahre nur durch zum hässlichen Bahnhof. Da muss ich leider hin, um den Zug nach Aachen zu nehmen. Eigentlich will ich auch nicht Bahnfahren, aber ich bin müde. Außerdem will ich Thomas nicht zu lange warten lassen. Der steht nämlich im fernen Aachen in seinem Schweiß. Vier Stunden hat er seine Wohnung geputzt, und jetzt ist er fertig, ruft an und sagt, ich könnte kommen. Der Begrüßungssekt wäre schon kaltgestellt. Da rolle ich grad erst über die Rheinbrücke und mir ist klar, dass ich bis Aachen noch gut vier Stunden zu fahren hätte. Die Frau Nettesheim in mir protestiert und sagt, ich dürfte nicht mit der Bahn fahren und die pataphysische Reise derart stillos beenden.

Ach, Frau Nettesheim, es braucht doch keiner zu erfahren, dass ich ein Stück mit der Bahn gefahren bin. Bei der Tour de France haben sie das anfangs auch gemacht, als es die Kameraüberwachung noch nicht gab.

Im Fahrradabteil der Regionalbahn ist mir der Einwand völlig egal. Ich beglückwünsche mich zu diesem Entschluss, denn ich hänge in den Seilen und will nur noch nach Aachen, egal wie. Bekanntlich gibt es in den Fahrradabteilen Bänke, die man herunterklappen kann, falls da kein Fahrrad steht. Es geht aber auch umgekehrt. Man kann diese Bänke besetzen, so dass für Fahrräder kein Platz ist. Manche finden es hübsch im Fahrradabteil und sitzen da auch, wenn woanders freie Plätze sind. Es ist nämlich sehr unterhaltsam zu beobachten, wie müde Radfahrer versuchen, ihr Fahrrad irgendwie abzustellen. Mich rettet eine Japanerin. Sie kann Origami, nimmt ihr Fahrrad zu sich und faltet es zusammen. In Mönchengladbach steigen viele aus, und neue Radfahrer heben ihre Räder hinein. Zuvor sind die schnelleren Passagiere ohne Fahrrad eingestiegen und hocken sich wie selbstverständlich auf die Bänke. Das tut auch ein wirklich breiter Mann mit dicker Aktentasche. Beim Einsteigen hat er wohl eine junge Frau angestarrt, die mit ihrem Fahrrad sogleich an der Tür geblieben ist. Sie ruft: „Was guckst du so blöd?! Brauchst du eine Brille?!“ Und er klappt schnell den Sitz herunter, setzt sich und sagt: „Ich hab’ doch schon eine.“ Tatsächlich. Und er guckt hinfort sehr unglücklich durch, fühlt sich offenbar ungeliebt. Aber was muss er sich auch ins Fahrradabteil drängen. Manche sind zu ungeschickt, um beliebt zu sein. Er bräuchte einen Lehrmeister wie Jeremias Coster.

Coster erwartet mich in der Aachener Bahnhofshalle. Ach, nein, das ist Thomas. Bei ihm rutschen mir die Welten immer durcheinander. Vor Jahren habe ich für die erste Lesenacht im Teppichhaus die Figur des Jeremias Coster erdacht, Professor für Pataphysik und Leiter des Instituts für Nachrichtengeräte an der RWTH Aachen. Später lernte ich Thomas kennen, und er gab der Figur erst richtig Farbe. Denn vieles, was ich Coster andichte, habe ich so ähnlich mit Thomas erlebt. Der Dichter erfindet nicht, er findet, und bei einem Internetdichter ist es nicht anders. Aber wie Thomas da freundlich lachend im Gewühle der Reisenden steht und meine Bahnfahrt mit der Kamera dokumentiert, das finde ich diesmal nicht wirklich gut. Zum Glück ist Thomas ein guter Freund. Er hat die Beweisfotos wohl vernichtet. Zumindest sind sie nicht auf der CD, die er mir geschickt hat mit den Bildern von meinem Aufenthalt in Aachen. Wer mir also nachsagt, ich wäre von Neuss nach Aachen mit dem Zug gefahren, dem schicke ich die berüchtigten Teppichhaus-Humorexperten auf den Hals.

Fortsetzung: Über Aachen - Kleiner Schornstein isst das Feuer - Ärgerliche Teilchenphysik
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Glücklich bei Klara - Bei der Lesung hilft die Katze - Soziologie der Gehwege

Pataphysische Forschungs- und Lesereise (5.2) – Essen
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 -
Teil 4.1 - Teil 4.2 - Teil 5.1

An den ersten Tagen meiner Reise, als es regnete, nieselte, regnete und dann wieder schüttete, ist mir schon mal die gute Laune entfleucht. Dann war es mir ein Trost, dass mich am Donnerstag in Essen die Blogfreundin Klara erwartet. Auch diesmal sollte sich der eigenartige Effekt des Bloggens zeigen: Man kennt sich nur über Texte und Kommentare, doch begegnet man sich im fassbaren Leben, ist man sogleich vertraut. Nach all den Tagen in der Fremde bin ich erleichtert, dass mir diese sympathische, agile Frau ihre Gastfreundschaft gewährt. Es geht erfreulich unkompliziert zu. Klaras Sohn ist auf einem Konzert, sein Mitbewohner im Urlaub, und so habe ich deren Wohnung für mich. Klaras Wohnung liegt gleich nebenan, und über Terrasse und Garten sind sie verbunden. Eine Weile sitzen wir zum Kaffee in ihrer Küche. Doch zeitweilig muss sie auch aufgestanden sein, denn am Schluss unserer anregenden Plauderei hat sie nebenher das Abendessen bereitet. „Wenn man viel hineinzustecken hat, hat der Tag auch 100 Taschen“, sagt Nietzsche. Und wer am Tag viel zu erledigen hat, hat wohl auch 100 Hände, um drin zu hantieren. Wann Klara ein paar Sachen von mir gewaschen hat, weiß ich nicht. Sie hängen jedenfalls bald am Wäscheständer auf der Terrasse.

Vor dem Eintreffen ihrer Gäste habe ich mir ein weißes Hemd und ein Jackett angezogen. So hoffe ich, die fünf eingeladenen Freundinnen davon abzulenken, dass ich von der heutigen Tour ziemlich fertig bin. Die Damen kommen zeitig und haben noch Salate mitgebracht. Als Vegetarier ist man ein schwieriger Gast. Klara hat meinetwegen vegetarische Kochbücher gewälzt. Es gibt eine Brokkolisuppe, dann Kartoffelgratin, dazu diverse Salate, Käse und Pizzabrote, zum Nachtisch Tarte au chocolat mit Himbeeren. Die Damen trinken Wein, ich Bier, das die freundliche Nachbarin eigens für mich geholt hat. Es ist ein wunderbares Abendessen und eine gesellige Runde. Trotzdem halte ich mich zurück. Mit vollem Bauch zu lesen, scheint mir nicht ratsam.

Irgendwann tragen wir die Stühle in den Garten und stellen sie in einen Halbkreis vor meinem Platz. Der Garten hat noch eine ganze Weile Sonne und bietet beste Bedingungen für die erste Lesung aus den pataphysischen Geheimpapieren. Meine Zuhörerinnen sind bald gefesselt. Arglose Leser könnten jetzt denken, ich hätte die Damen festgebunden, damit sie nicht entfliehen oder am Ende vor Erschöpfung vom Stuhl rutschen. Aber so wahr ich hier sitze, mit dieser Fesselung habe ich nichts zu tun. Das war ein glücklicher Zufall.

Vor einiger Zeit haben Klara und ihr Sohn eine Katze bei sich aufgenommen, die sie verletzt an der Straße aufgefunden hatten. Dieser Katze geht es dank fürsorglicher Pflege wieder gut. Bald soll sie frei herumlaufen dürfen. Um sie an den Garten zu gewöhnen, hat Klara sie an eine lange Schnur gelegt. Die Katze Loki streift also mit ihrer langen Schnur durch den Garten. Dabei achtet sie natürlich nicht darauf, ob sie beim Herumlaufen ein paar Damen umkreist und an ihre Stühle bindet, just wenn ihnen ein Internetdichter etwas vorliest. Als Katze hat sie keine Ahnung von der schwierigen Internetdichtkunst, springt nur hierhin und dahin, und schon sind die Damen festgezurrt. Ich bin beruhigt, dass meine Zuhörerinnen erst mal nicht weg können, lasse so manchen launigen Text vom Stapel, lese den, den auch und diesen da noch, dann den, den und den, nein, zuerst den, dann den und so weiter und so weiter, die Sonne sinkt hinter die Bäume, es dämmert, die Nacht sinkt herab. Klara hat sich natürlich nicht festbinden lassen. Sie kennt die Tücken ihrer Katze. Sie holt Kerzen, und im Schein der Kerzen lese ich weiter, denn da sind noch viele Texte, der da und der und der.

Pataphysische GeheimpapiereDass ich spät in der Nacht noch die Anleitung für meinen neuen mp3-Player in allen Weltsprachen vorgelesen habe, ist ein Versehen gewesen. Bei Kerzenlicht kann man sich schon mal vergreifen. Zum Glück ist es nicht aufgefallen, ja, die Bedienungsanleitung bekam den meisten Beifall. Sogar aus dem Fenster des Nachbarhauses wurde applaudiert, und ein Mann rief: „Danke, jetzt weiß ich das auch!“

Selbst die Damen finden plötzlich, dass jetzt Nachtruhe sein sollte und verabschieden sich. O ja, es wäre sehr unterhaltsam gewesen. Aber wenn Klara noch einmal zu der Lesung eines Internetdichters einladen würde, dann könnten sie leider nicht. Eine sagt, sie habe nämlich schon lange vor, sich mal die Fußnägel zu lackieren. Und die andere fragt, ob ich die Adresse von dem Kerl hätte, der mich mit seiner elend langen Leidensgeschichte zum Äußersten getrieben hat. Der hätte vielleicht Interesse, seine Krankenakte um ein blaues Auge zu erweitern.

Direkt neben einem Katzenbaum zu schlafen, der sich bis zur Decke erstreckt, gehörte zu den Dingen, die ich noch nicht gemacht hatte. Den Katzenbaum kann ich jetzt streichen. Nicht aber, neben einem Katzenbaum zu schlafen, auf dem eine Katze schläft. Sie ist in der Nacht woanders. Nach dem Aufwachen liege ich noch ein wenig da und lasse meinen Blick den Katzenbaum hoch wandern. Die Schulterhöhe einer Katze beträgt etwa 30 Zentimeter, also 1/8 der Zimmerhöhe von 2,40 Meter. Auf das menschliche Maß übertragen, müsste der Schlafbaum fast so hoch sein wie ein Haus mit 8 Etagen, nämlich 19,20 Meter, die Geschossdecken nicht eingerechnet. Mich schaudert bei dem Gedanken, ich müsste am Morgen von einem luftigen Schlafplatz einen gut 20 Meter langen Mast runterklettern. Da bin ich besser dran, brauche mich nur aus dem bequemen Bett aufzurichten und die Füße auf den Boden zu setzen. Aber als mein Blick auf den Tisch fällt, sinke ich zurück in die Kissen. Ich habe nämlich gestern meine gesamten Sachen ausgepackt, um an die pataphysischen Geheimpapiere heranzukommen. Es wird ewig dauern, dieses Chaos wieder in die Taschen zu stopfen.

Doch jetzt am Morgen finde ich, das Auspacken der pataphysischen Geheimpapiere hat sich gelohnt. Klara hat mit sicherer Hand den Kreis der Damen zusammengestellt. Sie waren ein aufmerksames, liebenswertes Publikum, hatten vielleicht etwas anderes erwartet als meine Geschichten aus dem surrealen Alltag, aber sie haben sich erkennbar amüsiert. Nur deshalb habe ich so lange gelesen. Man hat viel Witz im Ruhrgebiet. Er ist anders als meiner, aber nicht mindern skurril. Als kleines Dankeschön für ihre Gastfreundschaft widme ich Klara ein Büchlein, das die Texte der Lesereise enthält.

Davon gibt es nur 10 Exemplare. Die habe ich mit dem Paginierstempel nummeriert und per Hand signiert und somit zu Unikaten gemacht. Es wird eine neue Auflage geben, weil inzwischen einige Bestellungen vorliegen. In diese Neuauflage werde ich noch die Reisedokumentation aufnehmen.

Eigentlich würde Klara heute länger schlafen wollen, denn sie hat sich für den Tag frei genommen. Aber weil ich so früh aufbrechen will, hat sie den Wecker gestellt und ist schon auf, als ich komme, um das Bad zu benutzen. Erholung kann sie vertragen, was nicht nur mit mir zu tun hat. Seit Wochen sind nämlich die Handwerker in beiden Wohnungen. In der Wohnung ihres Sohnes ist das Bad immer noch nicht fertig. Wenn ich sie richtig verstanden habe, geht es zu wie im Tollhaus. Zuerst kommen die Fliesenleger, und wenn sie das Bad gefliest haben, dann rücken die Elektriker an und klopfen die Fliesen wieder herunter, um die Strippen zu ziehen, worauf dann wieder die Fliesenleger kommen, aber die falschen Kacheln bei sich haben.

Klara bereitet das Frühstück vor, ich hole Brötchen. Dieser Stadtteil von Essen ist recht lebendig, aber trotzdem wirkt alles hübsch herausgeputzt. Wenn ich in Hannover-Linden zum Bäcker gehe, kann ich unterwegs auf dem Bürgersteig Prospekte lesen. Ich lasse nicht jeden Morgen den Kopf hängen, aber nach unten zu gucken, ist in jedem Fall ratsam, denn angenommen, ich gucke heiter in der Gegend rum und trete plötzlich in was Weiches, dann ist die gute Laune eh dahin. In Linden fühlt man sich bei nackten Bürgersteigen unbehaglich. Das ist eine Sorte horror vacui. Der Lindener fühlt sich erst richtig wohl, wenn er um Hundehaufen kurven und über einen Teppich von Prospekten mit Sonderangeboten laufen kann. Wenn da einer den Bürgersteig kehrt, macht er sich unbeliebt. Deshalb schickt die Stadtreinigung nur selten Straßenkehrer vorbei, und vorher werden sie ermahnt, immer die neuesten Prospekte liegen zu lassen, damit die Lindener sich nicht beschweren.

Also in diesem
Essener Stadtteil ist das anders. Die Leute sind nicht sehr an Prospekten von Billigläden interessiert, denn sie kaufen lieber auf dem Markt, im Bioladen oder im Feinkostgeschäft. Und gehen sie Gassi mit ihrem Hund, dann läuft gleich ein Straßenkehrer mit der Schippe hinterher und hält sie dem edlen Köter unter den Hinterausgang. Deshalb können Herrchen und Frauchen die Nasen immer hoch tragen. Das ist nur gerecht, denn schließlich leben in solchen Stadtteilen die Leistungsträger. Zumindest bei Klara meine ich das gar nicht ironisch. Als selbständige Physiotherapeutin hat sie einen anstrengenden Alltag. Und Patienten, denen am Morgen noch ein Straßenkehrer hinterher gelaufen ist, sind nicht immer so, dass man von vorne mit ihnen zu tun haben will. Davon hat sie in Ihrem Blog schon anschaulich berichtet.

Beim herzlichen Abschied gibt Klara mir noch Pizzabrote mit auf den Weg, die am Abend übrig geblieben waren. So bleiben mir auch diesmal Käsebrötchen mit Remoulade erspart. Das ist gut, denn die letzte Etappe nach Aachen sollte noch anstrengend werden.

Fortsetzung: Reisende unerwünscht - Dicke Hosen in Düsseldorf - Ein Fotobeweis verschwindet
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Ein dicker Mann am Gummiband - Der Gott der Beredsamkeit fährt Rad - Ohren kauen im Duett

Pataphysische Forschungsreise (5.1) – Durchs Ruhrtal nach Essen - Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 -
Teil 4.1 - Teil 4.2

In der Nacht hat es ordentlich geschüttet. Jetzt strahlt der frischgewaschene Morgenhimmel in zartem Blau. Früh bin ich aufgestanden und habe gefrühstückt, denn Frau Max sagt, dass ich bis Essen gut 80 Kilometer zu fahren hätte. Die Sonne malt einen Lichtkegel in den Hof des Hotels. Ich stelle mich hinein und rauche. Dann packe ich mein Rad und breche auf. Kalter Dunst liegt über dem Ruhrtal. An einer Steigung in ein tropfendes Waldstück fährt ein massiger Mann, das Fahrrad einseitig mit einer Packtasche behängt. Ein weißes T-Shirt klebt nass an seinem Rücken. Er hat gerade ein Paar auf Fahrrädern eingeholt, und bevor ich an den drei vorbeifahre, nicht ohne sie mit einem kräftigen „Morgen!“ zu erschrecken, sagt er zu den beiden: „Da bin ich wieder!“

Mich packt der Ehrgeiz, und ich mache eine Weile ordentlich Tempo. Bei mir soll keiner am Gummiband hängen. Bald führt der Ruhrtal-Radweg auf eine Brücke, in deren Mitte ein Bahngleis liegt. Drei Schwäne haben sich aufgemacht, um trockenen Fußes auf das nördliche Ufer zu wechseln. Sie nehmen die Schienen. Offenbar sind sie im früheren Leben Eisenbahner gewesen. Die Kamera habe ich zu Hause gelassen, denn wenn ich dauernd anhalte und fotografiere, komme ich im Leben nicht nach Aachen. Auch ist Fotografieren eine verführerische Technik. Sie schwächt die Erinnerung, indem sie das Wort verdrängt. Aber hier halte ich und knipse das Schauspiel mit dem Handy. Derweil ich die Schwäne verfolge und einen günstigen Kamerawinkel suche, nähert sich wieder der dicke Mann im weißen T-Shirt.

Gänse-auf-Schienen

Donnerwetter oder „Sauaas“, wie der Aachener sagt, der ist beharrlich, und trotz seiner Fülle fährt er nicht schlecht. Doch ich halte Abstand. Hinter der Brücke treffe ich einen alten Radfahrer auf dem Rennrad. Sein runder Tritt beweist, dass er in seinem Leben schon manchen Kilometer gefahren ist. Als er hört, dass ich zum Kemnader See will, beschließt er, mich zu begleiten. Wir rollen flott an der Ruhr entlang, und es dauert nicht fünf Kilometer, und ich kenne die wichtigsten Stationen seines Lebens. Auf den folgenden Kilometern geht er ins Detail, zählt auf, welche Alpenpässe er mit dem Rad gefahren ist und wann und warum er von solchen Touren lassen musste. Es folgen die Einzelheiten seiner Leidensgeschichte. Gelegentlich versuche ich etwas zu sagen, doch Seite um Seite einer gewaltigen Krankenakte wogt heran. Da muss jedes Wort von mir ersaufen. Er ist wie Ogmios, der keltische Gott der Beredsamkeit, dessen Zunge am Ohr des Zuhörers angekettet ist. Er bläst mir die Ohren voll, er quasselt mich bewusstlos. Er quatscht mir ein Ohr blutig. Er labert mir eine Kante ans Bein. Er läuft leer wie ein angestochenes Fass. Aber es ist ein großes Fass, und der Strahl ist gewaltig. Wenn man eine Turbine zwischenschalten würde, könnte der Wortschwall seine Wohnung das ganze Jahr mit Strom versorgen. Hat man diese Form regenerativer Energiegewinnung schon bedacht? Die redseligen Leute des Ruhrgebiets wären eine unerschöpfliche Quelle.

Ich kann mich auf nichts konzentrieren. Das Ruhrtal unter der Sonne zeigt sich von seiner schönsten Seite, bietet herrliche Ausblicke auf bewaldete Hänge, die Ruhr fließt mal still, mal schießt sie über Wehre, mal weitet sie sich zu langen Seen, aber rechts hat sich Ogmios an mir festgebissen und schleppt mich durch Notaufnahmen, Operationssäle und Aufwachräume. Wetter, Herdecke, Witten – nichts davon gesehen. Die Orte bleiben weiße Flecken auf meiner inneren Landkarte. Wir überholen unzählige Radfahrer, aber ich nehme sie kaum wahr. Auf der Höhe von Ortschaften wandeln sich die Ruhrauen zu gepflegten Parks, wo allerlei Volk lustwandelt oder auf Bänken hockt und die lang vermisste Sonne begrüßt. Ich mache Ogmios zaghaft auf schöne Plätze aufmerksam, die allemal einen Grund bieten zu verweilen, doch er sagt: „Nein, ich bringe sie zur Fähre am Kemnader See. Da können Sie Ihren Sohn treffen, aber nicht an der Brücke. Die ist nämlich weggeschwemmt.“ Inzwischen hat er die stattliche Krankenakte seiner Frau aufgeschlagen, und die wird bestimmt bis Kemnade reichen.

An einer Promenade tut sich ein Platz mit Bänken auf. Hier setze ich mich durch und sage, dass ich halten will. „Aber…“, vorwurfsvoll wedelt er mit der Krankenakte seiner Frau, „... wir sind ja erst beim Inhaltsverzeichnis!“ Doch ich bin unerbittlich. Die Krankenakte seiner Frau geht mich nun wirklich nichts an. Da fügt er sich bedauernd und verabschiedet sich mit besten Wünschen. „Vielleicht sehen wir uns ja noch mal!“ „Ja, ja, im nächsten Leben vielleicht!“ Aber wenn ich dann die Krankenakte seiner Frau durchackern muss, bin ich im nächsten Leben lieber ein Schwan, der auf Schienen läuft, weil er vorher ein wasserscheuer Bahnbeamter war.

Na gut, bei Klar-a in Essen werde ich mich rächen und vorlesen, bis denen die Ohren qualmen. Die sollen mich mal kennenlernen im Ruhrpott. Man kann auch einen Bären zanken. Ich drehe mir eine Zigarette, sitze rauchend in der Sonne und genieße die Stille an der Ruhr, esse einen Apfel, telefoniere mit Malte und verabrede mich für 13 Uhr an der Fähre, spreche mit Klar-a und sage, wann ich ungefähr bei ihr sein werde, rufe auch meine liebe Filialleiterin Frau Nettesheim an. Dann hole ich die Karte der Kaiserroute heraus und stelle fest, dass Ogmios mich bis nah an den Kemnader See gebracht hat, quasi im besinnungslosen Zustand.

Plötzlich blitzt ein weißes T-Shirt auf, der am Gummiband flutscht heran und parkt sein Rad neben meinem. Er kommt aus Menden. Das liegt ein Stück noch hinter Fröndenberg. Als ich ihn am Morgen im Wald bei Schwerte zum ersten Mal sah, hatte er also bereits eine ordentliche Strecke hinter sich. Wir sitzen eine Weile plaudernd auf der Bank. Er ist Mitglied im ADFC, einem Verein, der für Radfahrer sein will, was der ADAC für Autofahrer ist. Viele Bequemlichkeiten, die man als Radfahrer hat, gehen auf das beharrliche Einwirken des ADFC zurück. Polizei und öffentliche Verwaltungen verstehen die Straßenverkehrsordnung noch immer als Autoverkehrsordnung. Da bin ich froh im vorbildlichen Hannover zu wohnen und nicht etwa wie er in Menden, wo man kaum Radwege hat. Meine Achtung für diesen Lehrer und Moderator für Verkehrserziehung steigt.

Wir fahren zusammen los, aber er hängt weiter am Gummiband. An jedem Anstieg bleibt er zurück. „Ich bin zu langsam für Sie“, sagt er. „Na ja“, sage ich, „Sie haben einiges hoch zu schleppen.“ Mich wundert, dass er solche Strecken fährt, wöchentlich eine Tour mit dem ADFC macht, und trotzdem seine Pfunde nicht loswird. Aber der Frust über ignorante Verwaltungsmenschen ist wohl groß. Den ertränkt man bei den Zusammenkünften des ADFC in Bier. Pro Jahr verliere er fünf Kilo, sagt er. Seine Schlankheitskur ist also auf mindestens 10 Jahre angelegt. Kurz vor dem Kemnader See trennen sich unsere Wege.

An einem Zulauf mit Fähre und Schleuse steht ein hübsches Fachwerkhaus. Radsportler, Mountainbiker, Tourenradler und Ausflügler sitzen an diesem lauschigen Platz in der Sonne, trinken Kaffee oder Bier, essen Knüppel mit Gerümpel oder nur Bratwurst, nur Pommes rot-weiß, Wespen umschwärmen meine Cola, es ist sehr gesellig. Zwei Radsportler sitzen da, alte Kämpen, und der Kleinere, ein Ruhrpott-Original, unterhält alle Tische. Als sie sich verabschieden, sagt er: "Ich hab noch eine Frau, die steht auf meiner Lohnsteuerkarte, also muss ich da wieder hin.“

Malte ruft an und findet mich nicht. Ich wähne mich am Kemnader See und beschreibe ihm die Stelle. Aber ich bin noch gar nicht am Kemnader See, wie wir viel später herausfinden. Eine große Gruppe Tourenradler hält an. Da baut sich ein weißhaariger Mann vor mir auf und sagt: „Sie ... habe ich heute schon dreimal gesehen!“ Erstaunt schaue ich hoch. „Wirklich?“ „Ja, ich sah Sie überall mit Leuten sprechen. Da dachte ich, der quetscht Leute aus!“ Was? Musste ich vielleicht irgendwen ausquetschen? Einmal habe ich einen Radsportler nach dem Weg gefragt, der mir auf einer schmalen Brücke entgegenkam. Der hatte einen gezwirbelten Schnurrbart, aber nicht mal den musste ich ausquetschen. Und ein leer laufendes Fass kann man nicht quetschen. Auch den Mann im weißen T-Shirt habe ich nicht gequetscht. So lange Arme habe ich gar nicht.

Frau Nettesheim hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Herr zu mir gekommen sei, weil er ebenfalls von mir gequetscht werden wollte. Das aber habe ich nicht bemerkt.


Er ist ein Bauingenieur aus Köln, ein Herr mit Manieren. Zuerst sticht er mich an und wartet höflich darauf, was aus mir denn so herauslaufen würde. Und ich höre mich reden und reden. Dass ich ein reisender Internetdichter sei auf pataphysischer Forschungs- und Lesereise, wobei aus Mangel an Antizipation und wegen des Regens meine Reise erst ab Essen eine Lesereise genannt werden könne, dass ich ein virtuelles Teppichhaus hätte, in dem während meiner Abwesenheit meine Filialleiterin Frau Nettesheim das Sagen hat, aber auch, wenn ich da bin. Erst nach ausreichend bemessenen Nachfragen, die mir das Gefühl geben, ich habe mich leer gequatscht, erst dann sticht er sich selber an: Er habe damit angefangen, Tandemgeschichten zu sammeln, Erfahrungsberichte von Paaren, die sich symbiotisch auf ein Fahrrad hocken. Inzwischen habe er soviel Material, dass ein Buch daraus werden könnte. Mich fasziniert bei Tandemfahrern, dass die Frau grundsätzlich hinten sitzt. "Ja", sagt er, "aber das hat seinen Grund. Tandems sind enorm schwer zu lenken, und den meisten Frauen fehlt dazu die Kraft. Zudem ist der Mann meistens größer, bietet also der Frau mit seinem breiten Rücken einen idealen Windschatten." Die Frau sieht dafür natürlich nicht viel von der Landschaft, hat aber einen freien Blick auf seinen Arsch. Der Bauingenieur ist auch Schachspieler und liebt daran die künstlerische Poesie bestimmter Schachstellungen. "Matt in drei Zügen" und so. Ich verstehe nicht viel davon, erinnere mich nur an die Geschichte von der Schach spielenden Ratte. Die Schachspieler finden nichts dabei, gegen eine Ratte anzutreten, monieren aber, dass die Ratte nicht besonders gut spielt.

Kemnader-see

Malte ruft wieder an. Inzwischen ist er den ganzen Kemnader See rauf und runter gefahren, aber das Schleusenhaus hat er nicht gesehen. Ich gebe der Frau an der Essensausgabe das Handy, sie soll ihm erklären, wo wir sind. Erst danach wird mir klar, dass ich die ganze Zeit an der falschen Fähre gewartet habe. Ohne Handy hätten wir uns vermutlich nie gefunden. So aber starte ich, und wie wir noch erneut telefonieren, schießt einer mit wehenden langen Haaren aus einem Seitenweg, ganz in Schwarz auf einem schwarzen Bike. Mein Sohn. Da ist die Freude groß. Wir haben uns über ein Jahr nicht gesehen. Inzwischen ist heftiger Gegenwind aufgekommen, und mein eigener Sohn muss mir Windschatten geben. Jetzt hänge ich am Gummiband und bin froh, wenn ich an seinem Hinterrad lutschen kann. Malte sagt, wenn ich so lange Pause gemacht hätte, wäre das nicht verwunderlich. Mein Körper wäre schon in die Ruhe- und Erholungsphase eingetreten. Und später sagt er: "Ich glaube, wenn du kein Gepäck hättest, würdest du mich noch langmachen." So spricht ein guter Sohn. Wir haben noch ein ganzes Stück zu fahren bis Essen. Malte tröstet mich: "Ab jetzt ist alles flach." Er kennt sich aber auch nicht aus, denn er wohnt in Mülheim. Und so kann ich nicht murren, als die versprochene Ebene sich wie eine Achterbahn wellt. Erst als wir versehentlich auf die Mountainbike-Strecke geraten, die nicht nur steil in den Wald führt, sondern noch mit scharfkantigen Felsen aufwartet, die kaum zu befahren sind mit Gepäck auf dem Rad, sage ich: "Ein Glück, dass hier alles flach ist."

Fortsetzung: Glücklich bei Klara - Lesung mit Hilfe der Katze - Soziologie der Bürgersteige
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Verwinkeltes im inneren Kino - Traurige Gitarristen - Nie sah ich Bräute breiter beißen

Pataphysische Forschungsreise (4.2) – Schwerte
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2 - Teil 4.1

Eigentlich habe ich bis Wetter fahren wollen, denn ich komme gut voran auf dem Ruhrtal-Radweg. Aber als ich am frühen Nachmittag auf Schwerte zurolle, bin ich auf einmal schrecklich müde. Außerdem weiß ich nicht, was Wetter zu bieten hat. Während ich noch überlege, haben meine Neuronen und die Beine längst ausgehandelt, dass ich in Schwerte bleiben werde. Und was da in meinem Kopf klüger ist als ich, lässt mich getrost die Touristik-Information ansteuern. Sie ist im Alten Rathaus untergebracht, zusammen mit dem Ruhrtalmuseum. In einem lichtdurchfluteten Raum mit Ausstellungsvitrinen sitzt vor einer roten Ziegelwand an seinem Schreibtisch ein liebenswürdiger, schrulliger Mann. Offenbar freut er sich über jeden interessierten Besucher. Gelegentlich scheint er beim Sprechen nach innen zu schauen und einen Text abzulesen, der ihm auf die Innenseite seiner Stirn projiziert wird. Der muss so verwinkelt sein wie die Gassen der Schwerter Altstadt.

„Ein Hotel in Schwerte? Hm, hm, da ist die Auswahl wohl nicht groß.“
Oje.
„Da wäre das Hotel Menzebach. Man bereitet dort ein ausgezeichnetes Steak. Aber eventuell haben sie noch nicht wieder geöffnet.“
Oje oje.
„Da wäre noch das Hotel Reichshof.“
Klingt gut.
„Es liegt gleich am Bahnhof an einer, hm, durchaus befahrenen Straße.“
Oje oje.
„Aber sie haben kürzlich in ganz neue Schallschutzfenster investiert.“
Die werden’s nötig gehabt haben.
„Das Gebäude soll wohl, hm, Jugendstil sein.“
Jugendstil-Schallschutzfenster? Etwa „wunderschöne Jugendstilglasarbeiten“ aus Taiwan?
„Das Menzebach liegt näher, direkt in der Altstadt. Ich könnte mal anrufen.“
Wenn sie nur da sind, zur Not kann ich ein Käsebrötchen mit Remou…
„Hm, hm, sie gehen nicht ran.“
Oje oje.
“Sie müssten aber eigentlich wieder geöffnet haben.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
„Tja, sie gehen nicht ran. Sie könnten es trotzdem versuchen. Wenn das Lokal geöffnet hat, sind sie auch wieder da.“
Wo waren die bloß? Haben sie neue Rinderhälften geholt und halbe Schweine? Egal, ich kann schon jetzt nicht mehr.

Die Leuchtschrift über dem Lokal Menzebach ist eingeschaltet. Ich drücke die Türklinke. Zu. Da hilft auch kein Rütteln. Die Tür ist verrammelt. Also Jugenstilschallschutzfenster am Bahnhof. Das mächtige Haus hat tatsächlich was von Jugendstil. Es liegt auf der Ecke. Auf beiden Straßen braust der Verkehr. Schräg gegenüber ist der Bahnhof. Links daneben ein von Baggern aufgewühltes Brachgelände so weit mein müdes Auge reicht. Die Rezeption ist auf der ersten Etage, sagt die Klingel. O nein, nicht schon wieder! In Gütersloh hätte mich das warnen sollen.

Der Lautsprecher über dem Klingelbrett knistert und eine muntere Frauenstimme ruft: „Ja, ich habe ein Zimmer für Sie!“ Ich steige eine lange Treppe hinauf zur Rezeption. Es ist da fast eine Halle, um die sich die Treppen auf die oberen Etagen winden. Eine echte Jugendstilglasarbeit überspannt das Treppenhaus und versorgt es mit Licht. Eine hübsche Frau lacht mich freundlich an: „Ich bin Frau Max. Wie Max und Moritz!“ Aus Hannover mit dem Fahrrad? Da hätte ich wohl viel Regen abgekriegt. Sie habe gestern auch Radfahrer bei sich gehabt. Deren Schuhe hätte sie mit Zeitungspapier ausstopfen müssen, um die wieder trocken zu kriegen.
„Sie haben denen die Schuhe getrocknet, Frau Max?“ Ich bin glatt ein bisschen neidisch auf die Weicheier. Frau Max lässt mich wählen zwischen einem Standardzimmer oder einem Komfortzimmer.
„Was ist denn der Unterschied?“
„Im Komfortzimmer haben Sie ein Doppelbett.“
„Es macht mich trübsinnig, wenn ich allein im Hoteldoppelbett liege.“
„Das kann auch bequem sein!“
"Möglich, wenn man quer liegen will."
Aber ich nehme das Standardzimmer. Sie gibt mir einen Bartschlüssel, ich durchschreite anheimelnde Gänge, sorgfältig ausgesuchte Farben überall, die wie selbstverständlich mit den architektonischen Jugendstilelementen des Hauses harmonieren, sanftes Licht - das ganze Hotel atmet Gastfreundlichkeit und sicheren Geschmack. So auch mein helles Standardzimmer, das andere Hotels als Komfortzimmer anpreisen würden. Es liegt zum Hof hinaus, und vom Verkehr ist nichts zu hören, obwohl es zwei große Fenster hat.

Später sitze ich frisch geduscht am Markt vor einem Restaurant, tanke Sonne, trinke ein Pils und bin guter Dinge. Vier reife, dicke Damen am Nebentisch schwatzen unaufhörlich und stopfen Tapas in sich hinein. Dann brechen Sie auf, um Eis zu essen. Das müsse jetzt sein. „O doch“, sagt die eine, „ich kann am Eis vorbeigehen.“ Nicht mal ich glaube das. Je mehr Pfunde man zu tragen hat, desto schwerer kann man überhaupt irgendwo vorbeigehen, und wenn sich Restaurants, Konditoreien und Eiscafes heimtückisch in den Weg legen, durch die man sich fressen muss …

Es zieht mich ins anheimelnde Bett. Nach zwei Stunden erholsamen Schlummers nehme ich an der St-Viktor-Kirche mit ihrem schrägen Kirchturm den Weg, der als „Altstadtrundgang“ ausgewiesen ist, schaue mir einige hübsche Fachwerkhäuser an, und wie ich wieder an Markt und Kirche ankomme, ziehen da zwei frustrierte Gitarristen mit ihren verhüllten Instrumenten davon. Sie hatten in der Kirche ein Konzert geben wollen, aber niemand war gekommen. Das entnehme ich dem Gespräch dreier Männer, die diskutierend vor dem Portal stehen. Dabei soll die Kirche doch so eine besondere Akustik haben. Aber wo sind denn die Leute? In der Dämmerung wirken die leeren Straßen mehr als trostlos. Plötzlich ein großes Haus, mit Schieferplatten verkleidet, das "Denk-mal", wo ein emsiges Kommen und Gehen ist. Mittwochs ist nämlich All-you-can-eat-Schnitzeltag im Denk-mal. An der Theke steht man dicht gedrängt, und auch die Tische nebenan sind besetzt. Es gibt einen Raucherbereich auf der ersten Etage, einen bunt erleuchteten Saal voller junger Leute. Ich finde einen Platz auf einer gepolsterten Sitzbank entlang der Rückfront.

Geschäftige Kellnerinnen eilen umher und können doch die Schlemmerwünsche kaum befriedigen. Nie sah ich die Jugend derart saufen und fressen. Man ist nicht ausgehungert, sondern schon jetzt wohl genährt. Rechts von mir sitzt ein Paar vor großen Tellern, und als man sie leergeputzt hat, wird sofort nachbestellt. „Wollt ihr die Gabeln behalten“, fragt die Kellnerin, als sie die zweite Lage auftischt. Na, klar, man hat keine Zeit zu verlieren. Später bestellt der junge Mann noch einen Salatteller, groß wie ein Karrenrad. Bald kommt eine zweite Freundin hinzu, die er selbstgewiss beküsst. Es gibt überhaupt einen Überschuss junger Frauen. Man unterhält sich über Handytarife oder zeigt Fotos, die man auf den Handys hat. Sie sind vermutlich selbst darauf zu sehen, wie sie Fotos zeigen, die sie auf dem Handy haben. Schlag 22 Uhr endet das Gelage. Die Jugend wedelt mit den Portemonnaies. Wahrscheinlich muss man um halb elf zu Hause sein. Neue Gäste betreten den Raum, gutsituierte Paare und launige Gruppen.

Auf dem Weg ins Hotel und noch im Bett versuche ich mir einen Reim auf alles zu machen. Das Schlemmen definiert offenbar den Status. Wer sich den Konsum im "Denk-mal" leisten kann, gehört dazu, wobei der darin versteckte Imperativ freundlich verhüllt, dass voller "All-you-can-eat-Wanst bekanntlich nicht gern studiert. Man ahmt ungeschickt das Verhalten der Eltern nach, ungeachtet der Gefahr, im gereiften Alter nicht mehr an einem Eiscafe vorbeizukönnen. Handytarife, All you can eat und teure Drinks sind die Eckpfeiler einer neuen Jugendkultur, nicht aber Gitarrenkonzerte in Kirchen mit schiefen Türmen.

Fortsetzung:
Ein dicker Mann am Gummiband - Der Gott der Beredsamkeit fährt Rad - Ohren kauen im Duett
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Frau Nettesheim ist irgendwie ...

trithemius & Frau Nettesheim

Frau Nettesheim
Wie kommen Sie dazu, mich in Ihrer Reisedokumentation „meine Freundin“ zu nennen Das besitzanzeigende Fürwort ist mir gar nicht recht. Es sollte „eine Freundin“ heißen.

Trithemius
Wer sagt, dass Sie die einzige Frau in meinem Leben sind, Frau Nettesheim.

Frau Nettesheim
Sie haben schon lange keine andere Frau erwähnt.

Trithemius
Na, bin ich vielleicht eine öffentliche Person, die ihr Gefühlsleben auf den Rummel tragen muss?

Frau Nettesheim
Über Regen jammern können Sie.

Trithemius
Wie herzlos. Erst waren Sie verschnupft wegen „meine Freundin“, und jetzt, wo nicht mehr klar ist, ob Sie gemeint sind, hauen Sie mich vor den Kunden in die Pfanne. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Heinrich. „Herzerweichend“ hat er im Kommentar geschrieben.

Frau Nettesheim
Kein Wunder, wenn Sie Ihren Jammer so auskosten. Voran kommen Sie auch nicht, schreiben langsamer als Sie Radfahren, sind nicht mal fertig mit dem Beitrag über Schwerte. Nachher verschießen Sie Ihr Pulver, bevor Sie überhaupt zu Ihren Lesungen in Essen und Aachen kommen. Aber Sie schreiben ja sowieso nur für sich, wie Sie der Mitarbeiterin der Aachener Nachrichten in die Feder diktiert haben.

Trithemius
Ach, das haben Sie gelesen. Vorher haben Sie kein Wort über die Zeitungsberichte verloren, nur nach Druckfehlern Ausschau gehalten. Es ist wahr, nach der Lesung im Kerstenschen Pavillon kam Denise Petzold zu mir und sagte, sie habe noch eine letzte Frage: „Für wen schreiben Sie?“ Weil ich auf diese seltsame Frage nicht vorbereitet war, habe ich gesagt: „Zuerst mal für mich.“ Denn ich veröffentliche nichts, was mir selber nicht gefällt. Das aber ist weniger selbstbezüglich als es klingt. Wenn ein Text nämlich mir nicht gefällt, kann ich nicht erwarten, dass er anderen gefällt. Deshalb sitze ich derzeit in Schwerte fest. Der Text ist noch nicht rund, obwohl ich mich heute sehr darum bemüht habe.

Frau Nettesheim
Dann rufen Sie doch Ihre „Freundin“ an. Sie wird Ihnen sicher auf die Sprünge helfen.

Trithemius
Frau Nettesheim, so habe ich Sie ja noch nie erlebt. Was kann ich tun, was kann ich nur tun?

Frau Nettesheim
Sie könnten sich für Ihre Geburt entschuldigen.

Trithemius
Ein Glück. Ich dachte schon, ich müsste mich erschießen.

Frau Nettesheim
Schaffen Sie doch nicht. Sie würden es literarisch ausschlachten wollen, stundenlang daran rumfeilen, und am Ende müssten Sie den guten Vorsatz aufgeben, weil Sie den Text nicht rund kriegen.

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Was Deutschland zusammenhält - Ein Praktikant wird entmachtet - Schwerte ist nicht Schwerte

Pataphysische Forschungsreise (4.1)
Soest – Werl – Wickede – Fröndenberg – Schwerte - ca. 53 km
Teil 1.1 - Teil 1.2 - Teil 2.1 - Teil 2.2 - Teil 3.1 - Teil 3.2

Soest - Schwerte

Meine Moral ist im Keller, was nicht an den anzüglichen Wortspielen liegt, die mir in Soest unterkamen. Die Tour ist verflucht ungesellig. Ich treffe keine Radfahrer, fahre meine Texte spazieren und finde keine Gelegenheit zu lesen. Der ständige Regen zehrt an meinen Kräften. Inzwischen packe ich morgens nicht, sondern stopfe alles nur irgendwie in die Taschen. Ab und zu telefoniere ich mit meiner Freundin und lasse mich ein bisschen ermuntern. Aus Aachen ruft mein Freund Thomas an und fragt, wo ich bin.

„Hinter Werl, es geht bergauf und regnet wie Sau.“
„Ich habe drei Kerzen für dich in St. Foillan aufgestellt, damit das Wetter besser wird!“


Wer solche Unterstützung hat, ist nicht verloren. In Essen erwartet mich morgen Blogfreundin Klar-a, vorher werde ich meinen Sohn Malte treffen, der schon geraume Zeit im Ruhrgebiet lebt und mich ein Stück begleiten will. Das alles tröstet, aber ich kriege kaum noch die Pedale rund. In Werl habe ich mir flüchtig die Innenstadt angesehen, vor einer Bäckerei ein Käsebrötchen gegessen und mir die Fahrradhandschuhe mit Remoulade eingesaut. Regen und Remoulade verfolgen mich hartnäckig. Der Regen wird bald aufhören. Aber der heilige Foillan wird seine Mühe haben, denn das Wetter darf schon seit Tagen ein Praktikant machen. Die Remoulade könnte ich loswerden, indem ich unterwegs etwas anderes esse als Käsebrötchen aus der Bäckerei. Aber inzwischen plagt mich ein wissenschaftliches Interesse. Soll es denn tatsächlich so sein, dass man von Hannover bis Aachen Remoulade auf die Brötchen schmiert? Ist Remoulade am Ende der Stoff, der Deutschland zusammenhält?

Ich möchte nicht wissen, wie viel Remoulade täglich durch die Verdauungstrakte der Deutschen gepumpt wird. Und wo ist die Quelle? Wo entspringt der Strom? Gibt es irgendwo unter der Erde einen schwabbelnden Remouladensee, aus dem er machtvoll hervorbricht? Kann man Boot darauf fahren, ist er am Ende sogar schiffbar und fette Remouladenköche fahren Patrouille? Wann, wie und warum kam die Remoulade in Deutschland an die Macht? Wie gelang es ihr, die regionalen Vorlieben zu überfluten? So eine aufdringliche Soße, die alle Geschmacksknospen versklavt und ungemein träge macht, sollte sie nicht wenigstens erst ab 18 sein? Mit solchen Fragen lenke ich mich ab von der Steigung, die nicht enden will, weil Regen und Gegenwind mich ausbremsen.

Auf dem Höhenrücken biegt ein Weg ab in den Wald. Unten muss das Ruhrtal sein. Ein erhitzter junger Mann auf dem Mountainbike kommt mir entgegen. Ja, ich sei auf dem richtigen Weg. Gleich gehe es steil bergab, und hinter einer Schranke werde der Belag auch besser. Tatsächlich, die Abfahrt über den aufgeweichten Waldweg dauert nicht lange, da gibt der tropfende Wald mich frei, ich sause hinaus und bin in Wickede an der Ruhr. Inzwischen hat St. Foillan den Praktikanten abgewatscht, und sobald ich in den Ruhrtalradweg einbiege, kommt die Sonne hervor. Danke, Thomas! Danke, hl. Foillan! O du herrlicher Sonnenball, mein Herz hüpft! Ich setze mich auf eine Bank und lasse mich bescheinen. Ein Schmetterling fliegt vorbei. Er hat die Regenfluten überlebt, welch ein Glück für unsere Urenkel. Sie müssen sich vielleicht gar nicht von Remoulade ernähren. Jetzt ist die Killersoße auf ihrem Zenit, beherrscht das Land von Ost nach West, von Nord bis Süd. Aber es wird ihr gehen wie dem Toast Hawaii. Dereinst wird sie nur noch Folklore sein, und keiner will sie mehr haben. Wenn jetzt nur nicht in Erikas Kneipe der allwissende Akrobat vom Thekenhocker fällt, einen trunkenen Soester Schmetterling unter sich begräbt und alles verdirbt.

Der Ruhrtalradweg ist eine beliebte Radfahrstrecke. Er ist Teil der Kaiserroute, die von Aachen nach Paderborn führt. Schon sehe ich die vertrauten Hinweisschilder. Zweimal bin ich die Tour von Aachen aus geradelt. Ich treffe eine Familie, Vater, Mutter, eine Tochter, zwei Söhne. Sie sind bis Winterberg im Sauerland mit dem Zug gefahren und rollen von dort mit den Rädern zurück nach Duisburg. „Das ist wie Motorradfahren“, sagt der Vater. Im Ruhrtal muss aber wieder gestrampelt werden. Hinter Fröndenberg ist die Route nicht gänzlich flach. Manchmal ragen Bergzungen bis dicht an die Ruhr. Vor vier Jahren haben ein Freund und ich prima im Fröndenberger "Haus Ruhrbrücke" übernachtet. Heute komme ich aus der Gegenrichtung und erkenne das Hotel erst wieder, als ich auf der Brücke bin, wo der Radweg auf die andere Ruhrseite führt. Wie ich von der Brücke aus zurückschaue, wirkt alles wie früher. Der einzige Unterschied, ich habe mir heute Morgen beim Rasieren ins Philtrum geschnitten, und vor vier Jahren wusste ich nicht mal, wie dieser Bereich zwischen Nase und Oberlippe heißt, was vermutlich der Grund ist, dass ich mich woanders schnitt.

Sich ins Philtrum zu schneiden, das kann entstellen. Als ich noch für die Titanic „Briefe an die Leser“ schrieb, traf ich auf dem Titanic-Buchmessenfest einmal die Zeichnerin Hilke Raddatz. Sie macht die Karikaturen zu den Briefen, wenn ein Prominenter darin vorkommt. Jedenfalls, ach, guck mal, wie schön die Ruhr in der Sonne glitzert. Wie herrlich ist es auf der Sonnenseite des Lebens! Also, da sagte mir Hilke Raddatz, dass bei den Karikaturen der Bereich zwischen Nase und Oberlippe für das Wieder erkennen wichtig sei. Das wusste ich nicht, aber jetzt weiß ich, die Furche in der Mitte dieser Stelle heißt Philtrum, wobei Furche nicht wirklich trifft, denn es ist ja mehr ein sanftes Tal, das sich vor der Oberlippe zum Amorbogen aufschwingt. Der Amorbogen galt in der Antike als wichtige erogene Zone. Sonst würde er auch nicht Amorbogen heißen sondern vielleicht Oberlippenbraue. Oder Schwerte. Das ist aber nicht der sanfte Ausläufer des Philtrums, sondern unser Zielort, ein altes Ruhrstädtchen mit einem schiefen Kirchturm.

Man kann übrigens Schneider heißen und später Schwerte. Der ehemalige Rektor der RWTH Aachen hat es vorgemacht. Als eifriger Nationalsozialist war er Mitglied der verbrecherischen Organisation Ahnenerbe gewesen. Da hat er Hans Ernst Schneider geheißen. In den Nachkriegswirren ist er untergetaucht, seine Frau ließ ihn für tot erklären, und bald kam er als Hans Schwerte wieder ans Tageslicht und machte an der Hochschule Karriere. Es gab Mitwisser, doch man ließ ihn gewähren, behängte ihn sogar mit dem Bundesverdienstkreuz. Er war bereits 86 Jahre alt, als er von Reportern des niederländischen Fernsehens enttarnt wurde. Psychologisch interessant ist die Form des Namenswandels von Schneider zu Schwerte. Mit dem Schwerte schneiden. Bei solchen Assoziationen kriegt man das Gruseln


Ich ärgere mich, dass ich bei Schwerte immer an diesen Kerl denken muss. Das hat die Stadt nicht verdient. Die Menschen dort sind freundlich, wie überhaupt an der Ruhr. Jedenfalls kann ich über Schwerte nur Gutes sagen, aber zwei Punkte wären anzumerken:

1) Die Kirche mit dem schiefen Turm ist kein guter Veranstaltungsort.
2) In Schwerte finden rätselhaft surreale Schlemmerorgien statt.


Fortsetzung: Verwinkeltes im Inneren Kino - Traurige Gitarristen - Nie sah ich Bräute breiter beißen
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