Schreiben aus der Lamäng - Deutsch für Blogger (5)

Mancher mag es nicht glauben, aber ich habe mich vorgestern Abend angeregt mit einem Blogfreund über die Partikeln unterhalten, womit alle unflektierten deutschen Wörter gemeint sind. Viele davon sind mir ein Graus, weil sie mir unvermittelt in die Sprache geraten. Manchmal verlinke ich zu einem alten Text von mir, denn ich habe im Laufe der letzten fünfeinhalb Jahre Bloggen über sehr viele verschiedene Themen geschrieben. Wenn ich aber einen solchen alten Text aufrufe, dann redigiere ich ihn, bevor ich ihn verlinke. In der Hauptsache werfe ich unnötige Partikel hinaus, meistens „auch“ und „ja“.

Früher habe ich immer so einfach wie möglich geschrieben und den Leser oft mit „du“ angesprochen. Dann nähert sich ein Blogtext der gesprochenen Sprache an, und der Leser fühlt sich stark einbezogen. Zum Mündlichen gehört eben auch das bestätigende und gleichsam vereinnahmende „ja“. Und „auch“ darf dann auch erscheinen, oft aus Gründen der Satzmelodie, denn ein Text, der nahe dem Mündlichen ist, braucht Melodie, der muss klingen. Beim leisen Lesen arbeite die Stimmritze immer mit, hat wer herausgefunden. Ich habe seinen Namen irgendwo notiert, bin jetzt aber zu faul, ihn herauszusuchen. Zum Blogtext nahe beim Mündlichen gehört ebenfalls, dass man vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Das habe ich immer gern zugelassen, Wege zu gehen, die sich erst beim Schreiben ergeben. Wenn ich mal vom Thema abgekommen bin, schreibe ich weiter, bis ich wieder in der richtigen Spur bin und den Text rund machen kann. Es schult die Kreativität, wenn man versucht, einen Bogen zu schlagen.

Etwa ab dem zweiten Absatz hier hatte ich mich frei gemacht von meiner Partikelphobie und habe mal wieder einfach drauflos geschrieben, was ich mir in letzter Zeit kaum gestatte. Denn bei dem anregenden Gespräch über Partikel kamen wir auch auf stilistische Fragen, welche Funktion sie nämlich in der Sprache haben. Sie verlangsamen den Text ein wenig und lassen den Leser gut mitkommen. Deshalb kamen wir überein, dass man nicht zu puristisch sein darf. Schreiben muss auch ein Gutteil aus dem Bauch kommen. Denn wie gesagt, die Stimmritze schwingt beim Lesen mit, folglich tut sie es auch beim Schreiben. Wer also aus dem Bauch schreibt und dessen Rede einfach und klar ist, der braucht sich gar nicht um Stilfragen zu kümmern. Der gute Sprachstil stellt sich von selber ein.

Normalerweise gehört zum Mündlichen ein Gegenüber. Das stelle ich mir immer vor, wenn ich einen Text für das Teppichhaus schreibe. Du willst dich doch einbezogen fühlen, oder nicht? Und das ist das Besondere an Blogtexten. Nur sie haben diese Nähe zum Gegenüber, also zu dir.

Mehr: Deutsch für Blogger
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Unschuldslieschen, Grüßaugust und "Lügenpeter"

Guttenberg bei Wulff
Guttenberg holt sich die Papiere (Fotovorlage)

Ex-Verteidigungsminister Guttenberg wird heute mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet. Das Musikkorps der Bundeswehr wird auf Guttenbergs Wunsch unter anderem "Smoke on the Water" der britischen Rockband Deep Purple spielen. Dabei hätte doch „Highway To Hell“ viel besser zu Guttenbergs coolem AC/DC-T-Shirt gepasst. Die Bundeswehrführung hat aber diesen Titel abgelehnt, weil er zu nah an der Wirklichkeit des Kriegeinsatzes in Afghanistan ist.
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Deutschland im Bild - Mein surrealer Alltag

Plakatwand
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Einfach im Partnerlook - Sprachwandel

Auf der großen Freitreppe an der Rathausrückseite saß ich in der Sonne, hatte den Maschteich vor mir und eine Prozession von Bummlern vor der Nase. Eigentlich wollte ich mich der gepflegten Langeweile eines Sonntagnachmittags hingeben. Auf der Terrasse seitlich von mir stand ein junges, hübsches Paar, und schräg die Treppe hoch kam lächelnd eine Frau. Der junge Mann sagte: „Hallo, Mutti!“, Mutti gesellte sich zu den beiden, und es entspann sich ein lebhaftes Gespräch. Das wollte ich nicht hören, also blendete ich die drei aus. Doch plötzlich hörte ich sie folgenden Satz sagen: „Das wäre einfach einfach!“

Sie hat nicht gestottert. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Wörter. Einfach ist ein Adjektiv, was wir daran erkennen können, dass es gesteigert werden kann. Einfach, einfacher, am einfachsten. Das letzte Wort des Satzes: „Das wäre einfach einfach“ ist eindeutig ein Adjektiv. ("Das wäre einfach einfacher.") Das erste „einfach“ ist jedoch kein Adjektiv, sondern ein Adverb. Es lässt sich nicht steigern. Bei einem anderen Satz ist es leicht zu erkennen: „Das Wetter war heute einfach gut“. Hier geht nicht: „Das Wetter war heute einfacher gut.“ „Einfach“ im Wortsinne von „leicht“ ist das Adjektiv. Aber welchen Wortsinn hat das Modaladverb „einfach“?

Die Frage hat mich auf dem Nachhauseweg beschäftigt, und ganz klar ist es mir immer noch nicht. Der adverbielle Gebrauch von "einfach" scheint noch jung zu sein. Nicht mal beim schnellen Wikipedia unterscheidet man Adjektiv und Adverb einfach. Hier ist ein neues Wort geboren, und es hat sich einfach die Klamotten des anderen angezogen. Darum sind die beiden kaum zu unterscheiden.
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Wolle Gutenberg zurück!

Gutenberg-zurück

Mehr über Johannes Gutenberg und warum Fust ihn pfänden ließ
Spaß mit Gutenberg
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Jugendfreier Dialog über Gras kaufen und Ficken

Im Fernbus nach Maastricht sitzen auf der Rückbank drei junge Männer. Sie unterhalten sich ungehemmt, denn Sie wähnen sich unter Niederländern, die sie nicht verstehen. Zeitweise habe ich mich gefragt, ob ich ihre Worte aufschreiben soll, aber das war mir dann doch zu viel Aufwand. Den Tenor habe ich behalten wie auch das eine oder andere Zitat. Allerdings kann ich nicht angeben, wer was gesagt hat, denn sie saßen hinter mir.

Sie reden über ihre Auslandserfahrungen, denn sie sind ein bisschen aufgeregt, wollen in Maastricht Gras kaufen. Einer von ihnen kennt sich aus und erklärt ihnen, wie’s geht und dass man sich vor dem Zoll in Acht nehmen soll, „weil die auch die Busse kontrollieren.“ Die anderen Auslandsberichte der drei drehen sich um das Thema Frauen und Mädchen. Aber es geht eher um Frauen, die käuflich sind. Amsterdam sei klasse, aber zu teuer. „Wenn du dahin gehst, wo die Touristen hingehen, ist es immer teurer.“ Er habe sich das ganze nur angeschaut, "aber zum Ficken geht nichts über Frankfurt." "Frankfurt ist geil“, bestätig sein Freund. "Wenn du da durch gehst, sieht die erste schon geil aus, aber wenn du weiter kommst, warten da immer noch geilere.“ Darum habe er sich zur Regel gemacht, immer zuerst einmal ganz durchzugehen. „Es ist doch geil, wenn du weißt, dass du sie so einfach ficken kannst.“ Einer spricht über Afrikanerinnen. „Boah eye, die Negerinnen zeigen einem sofort alles.“ Der Dritte sagt, nachdem auf der Studienfahrt nach Frankreich im Bordell gewesen wäre, wolle er jetzt auch die Frauen aus anderen Ländern ausprobieren. „Aus jedem Land eine Frau!“ „Das ist also dein neues Lebensziel?“ „Genau! Aus jedem Land eine.“ Der am Fenster erzählt dann noch, von einem gescheiterten Versuch: „Wir kamen ziemlich spät. Da war nur noch eine Frau da. Wir wollten zu zweit, aber sie war uns zu teuer.“

Die drei waren nicht etwa Proleten, eher gut aussehende Jungs aus gutem Haus. Einer machte gerade Zivildienst, die beiden anderen standen offenbar vor dem Abitur. Ich frage mich, wie exemplarisch das Gerede ist. Das Frauenbild der drei ist ziemlich schräg. Und ist es ihnen zu anstrengend, eine Beziehung zu haben? Jedenfalls scheint die sexuelle Befreiung inzwischen zum freimütigen Bordellbesuch verkommen zu sein.

Mehr: Ethnologie des Alltags
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Laute Buhrufe im Zirkus des schlechten Geschmacks

Der Kelch ist an uns vorüber gegangen. Der unsägliche Guttenberg ist zurückgetreten. Dass er dem Druck wich, aber keinerlei Einsicht zeigt, da entlarvt sich die Debilität des Adels. Man muss dem Herrn der vielen Namen dankbar sein, denn er hat so schräg, schrill und verkommen agiert, dass doch eines klar geworden ist: von der Adelsbagage ist nichts Gutes zu erwarten, egal wie die verschmockte, so genannte seriöse Presse zirkus schlechten Geschmacksihn gefeiert hat, der Spiegel mit dem liebedienerischen Titel: „Die fabelhaften Guttenbergs“ und die ZEIT, deren Chef Giovanni di Lorenzo „die Sehnsüchte der Deutschen nach einer Königsfamilie“ auf uns zu projizieren versucht hat. Was in Deutschland an übler Gesinnung wie ein Sumpf sich ausgebreitet hat, das kulminiert in Figuren wie Guttenberg, das miese Sozialschmarotzertum einer sozialen Oberschicht und ihrer Speichellecker. Diese Clique hat sich zu einem machtvollen globalen Netzwerk verbunden, und ihre Gemeinsamkeit besteht in der unstillbaren Raffgier nach Geld, Macht und Ansehen.

Einem Mann wie Guttenberg, der den Wahnwitz der ungehemmten Selbstsucht repräsentiert wie kein Zweiter, trauert gut die Hälfte der Deutschen nach. Aber es ist ungemein entspannend, dass es auch noch eine andere Hälfte gibt. Menschen mit Ehrgefühl, die sich nicht nur empört haben, sondern in Wort, Bild und Tat sich endlich zusammengefunden haben, zuerst hier im Internet. Es hat lange gedauert, bis die Mitglieder des Wissenschaftsbetriebs begriffen haben, was ihnen da an dreister Frechheit zugemutet wurde, wie unbekümmert die Bundeskanzlerin Merkel ihre wissenschaftliche Reputation in den Wind geschossen hat. Redet von dem Bildungsland Deutschland und tritt die intellektuelle Redlichkeit der Wissenschaft aus purem Machtinteresse in den Dreck. Ob sich Merkel überhaupt der Dimension ihres Handels bewusst war, als sie sich schützend vor Guttenberg stellte und sagte, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter in die Regierung geholt, sondern als Politiker? Als ob sich intellektuelle Redlichkeit von allgemeiner Ehrlichkeit trennen ließe. Wer geistige Leistung klaut, dem ist grundsätzlich nicht zu trauen.

Arroganz ist der schlimmste Feind der Intelligenz. Merkels und Guttenbergs CDU/CSU sind von der Arroganz der Macht derart verblendet, das sie sich wirklich verhoben haben. Sie haben tatsächlich geglaubt, sie kommen damit durch, haben geglaubt, die geballte Indoktrination der letzten Jahre durch willfähriges Fernsehen und liebedienerische Presse hätte schon genug gefruchtet. Das mag sogar für einen großen Teil der Bevölkerung zutreffen. Die da sagen, Guttenberg hätte als Verteidigungsminister einen guten Job gemacht und hatten doch nur seinen Fernsehauftritt mit Stephanie und Kerner in Afghanistan vor Augen, diesen schamlosen flotten Dreier im Kriegsgebiet. Würden die Reporter der Umfragen einmal nachfragen, ja, was hat er denn gut gemacht? Das könnten diese Guttenberganhänger mehrheitlich nicht sagen.

Egal, wenden wir uns noch einmal denen zu, die zu diesem anhaltenden Sturmwind sich vernetzt haben, der Guttenberg hinwegfegte. Es war viel Widerstand im Internet, doch entscheidend war, dass unsere verwöhnte Professorenschaft sich in den Widerstand eingeklinkt hat. Dadurch bekam das Netzwerk der Einsichtigen sein Gewicht. Denn wenn Professoren zu Hunderten, Tausenden protestieren, dann zuckt auch die CDU zusammen. Gemeinhin hält der Wissenschaftsbetrieb still, hat all die Zumutungen geschluckt, die Aushöhlung der Bildung mit so genannten Reformen wie Bologna und dergleichen. Nur weil die akademische Zunft sich satt und bequem in den Elfenbeinturm gesetzt hat, konnte es zu dem desolaten Zustand der Bildung an den Schulen und Hochschulen kommen. Hoffentlich sind die Herrschaften jetzt endlich wach geworden und erkennen, dass sie auch eine sozialpolitische Verantwortung haben, nicht nur, wenn es um ihre eigenen Anliegen geht - im Zirkus des schlechten Geschmacks.
1573 mal gelesen

Durch die nur unscharf berechenbare Randzone (5)

Genaue Ortsbeschreibungen galt es handschriftlich zu notieren, als Station eines Bummels durch die nur unscharf berechenbare Randzone des Teppichhausnetzwerkes. Wir sind unterwegs mit:

Karte05Trithemius

„Hannover ist putzmunter“, steht auf einem Plakat am Zaun, genauer, es steht auf einem gelben Putzhandschuh, den ein Mann dem Betrachter entgegenstreckt. Die offene Hand ist in Griechenland eine Schimpfgeste. Falls mal ein Grieche vorbeikommt, wird er wohl zusammenzucken, wenn er diese Sternstunde des Wortspiels sieht. Und dann hat er vielleicht gar keine Lust mehr zum putzmunter sein.

Wir befinden uns am Anfang der Billungstraße, wo sie von der Davenstedter Straße abzweigt. Die Billunger sind, wie jeder weiß, ein frühmittelalterliches sächsisches Adelsgeschlecht, das aber glücklich ausgestorben ist. Passender Weise ist die Billungstraße eine Sackgasse. Sie steigt leicht bergan und würde hinauf zum Lindener Berg führen, wenn man sie ließe und nicht nach etwa 75 Metern schon Schluss wäre. Oben ist ein kleiner Platz, von dem nach rechts ein Weg in eine Grünanlage mit Bolz- und Spielplatz führt. Nach links geht es in eine Straße, die Kiewergarten heißt. Hier stehen mächtige Hausreihen aus der Gründerzeit. Auch die Billungstraße hat ein Haus aus der Gründerzeit. Es ist ein vierstöckiger, hübsch gegliederter Klinkerbau an der Ecke zur Davenstedter Straße. Auf dem Balkon der 3. Etage unter einer Arkade stehen zwei junge Männer, rauchen und reden was. Die anderen Häuser auf der linken Seite sind grau verputzte Nachkriegsbauten, das ist Einheit von Form und Farbe.

Rechts hat die Billungstraße keine Wohnhäuser, sondern einen Wertstoffhof des Zweckverbands Abfallwirtschaft Region Hannover (aha). Von einer nahen Kirche her weht das 12-Uhr-Mittagsgeläut. „Do löck et Medaach, wer jekocht hät, der laach!“, sagt man im Rheinland. Ich habe nicht gekocht und somit auch nichts zu lachen, sondern muss schreiben, sitze genau vor der Einfahrt zum Recyclinghof mit dem Rücken zur Davenstedter Straße auf einem viereckigen Betonkübel mit festgebackenem Streugut. Hinter mir rollt der Verkehr übers Kopfsteinpflaster, und ab und zu fährt eine Straßenbahn der Linie 9 vorbei. In der frühlingshaften Luft sind auch Hammerschläge zu hören. Sie kommen unter einem quer zur Billungstraße geparkten Auto hervor. Es liegt offenbar ein Mann darunter, jedenfalls gucken zwei Beine heraus, was ich aber kaum sehen kann, weil die Betoneinfassung eines kleinen Baumes die Sicht versperrt.

Außerdem steht die Sonne genau im Süden am blassblauen Himmel und blendet mich ein bisschen. Vor mir biegt eine Prozession von Autos in die Einfahrt des Wertstoffhofes und steht dort mit aufleuchtenden Bremslichtern Schlange, denn auch die Einfahrt steigt an. Man kann sie nicht verfehlen, denn es ragt ein schmales Schild daneben auf mit der nach links gestürzten Aufschrift „Wertstoffhof“. Darüber befindet sich eine stilisierte Zeigefingerhand mit dem Satz „aha ist da!“ Montags aber nicht, wie ein Schild auf dem jetzt offenen Metallgatter sagt. Und sonntags ist dieses Gatter auch geschlossen. Nur einmal fand ich es offen, bei der letzten Bundestagswahl. Da war das für mich zuständige Wahllokal im kleinen Verwaltungsgebäude des Wertstoffhofes. Passend zum Lokal habe ich natürlich Schrott gewählt wie die meisten Deutschen. Es gab ja nichts Neues, und das ist der Nachteil beim Recycling. Jedenfalls sollte man keine alten Schuhe zum Wertstoffhof bringen. Wir brauchen sie noch zum Werfen.

Ende des Bummels
Zurück zum Anfang des Bummels
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Durch die nur unscharf berechenbare Randzone (4)

Genaue Ortsbeschreibungen galt es handschriftlich zu notieren, als Station eines Bummels durch die nur unscharf berechenbare Randzone des Teppichhausnetzwerkes. Wir sind unterwegs mit:

Karte04la-mamma

sehen sie, dabei hab ich heut verschlafen und nicht einmal südöstlich aber rund 100 schritte nördlich von meiner haustür hab ich zumindest geschaut, was mir das tageslicht zeigt.

ein hund steht neben mir, ein bernhardiner, in stark gekrümmter haltung. die kleine vollgeparkte straßé, durch die ich ins büro eile, ist von laubbäumen gesäumt, selbstverständlich weiß ich jetzt nicht einmal von welchen. das haus rechterhand ist blassgelb gestrichen, auf der linken seite ist ein langer dunkelgrauer zaun. der garten dahinter ist jetzt viel gepflegter, seit sich statt der quasi weltweit berüchtigten schlafstätte für obdachlose männer ein altersheim darin befindet. am gehsteig vor mir ein paar zigarettenstummel, die dank unserer stadtreinigung nicht lange liegen bleiben werden, und ein paar weiße kaugummiflecken, die für immer picken.

ps: ich bin rund 850 km südöstlich von hannover daheim. wobei ich aber in 10 minuten westlich zu fuß bis zum hannovermarkt komme. dorthin hat mich meine mama schon als kind fast jeden tag mitgenommen.

Wird fortgesetzt. Nächste und letzte Etappe: Trithemius
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Durch die nur unscharf berechenbare Randzone (3)

Genaue Ortsbeschreibungen galt es handschriftlich zu notieren, als Station eines Bummels durch die nur unscharf berechenbare Randzone des Teppichhausnetzwerkes. Wir sind unterwegs mit:

Karte03 Videbitis

293 km Hannover/Linden - Köln/Innenstadt + 100 m
Lindenstraße, ca. 100 Meter südwestlich von meiner Haustür entfernt. Auf der Ausfallstraße herrscht reger Verkehr. Direkt neben mir eine Bushaltestelle – ich hoffe, es kommt kein Bus, der Fahrer könnte denken, ich warte auf ihn, hält extra wegen mir, und aus lauter Schuldgefühl muß ich einsteigen und sonstwo hinfahren. Die Bebauung ist das typisch kölsche Gemisch aus häßlichen Nachkriegsbauten und Gründerzeithäusern, typisch jedenfalls für die sogenannte Neustadt.

In Sichtweite: 1 Kiosk, 1 Stehcafé, das nur vormittags geöffnet hat, eine Filiale der Pizza Company (ganz schlechte Pizza!), 1 vietnamesisches, 1 neues nepalesisch-tibetisches Restaurant namens „Buddha’s Eye“ – kenne ich beide nicht. Die Zweitwohnagentur sieht aus wie ein Versicherungsbüro, die Fenster sind bis zur Hälfte mit undurchsichtiger Folie beklebt.
Direkt stehe ich vor dem Gebäude des Berufskollegs, das zu Wahlzeiten mein Wahllokal beherbergt. Eine Wand ist mit einem riesigen Graffito verziert – eine Auftragsarbeit. Ich hatte einen der Künstler während der Arbeit befragt, er erzählte, daß sie nur das Material bezahlt bekämen, das Werk sei eine Art Eigenwerbung. Tatsächlich steht am Rand eine Telefonnummer und Internetadresse.

Das hier ist kein Ort, an dem man sich lange aufhält, außer, man wartet auf den Bus. Inzwischen sind schon drei an mir vorbeigefahren, gottseidank sind immer andere Leute ein- und ausgestiegen. Die mir zugewandten Fahrgäste betrachten mich während des kurzen Halts, aber nicht mit Absicht, sie schauen halt aus dem Fenster, und ich steh da herum und kritzel auf Papier. Die Blicke machen einen stumpfen Eindruck, kein Wunder, Freitag 16.30, die Last einer ganzen Arbeitswoche liegt auf ihnen, sie wollen nichts anderes als möglichst schnell nach Hause.

Fahrräder flitzen auf dem Fahrradweg. Die Leute, die vorbei gehen, kucken, aber interessieren sich nicht weiter für mich. Es wäre vermutlich nicht anders, wenn ich hier einen Schreibtisch hinstellte und an ihm einen Roman schreiben würde. Alles macht einen trostlosen Eindruck. Der einzige Lichtblick ist die Konditorei an der nächsten Kreuzung: Café Braun, ich komme! 1 Stück „Birne Helene“ bitte.

Wird fortgesetzt. Nächste Etappe: la-mamma
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Durch die nur unscharf berechenbare Randzone (2)

Genaue Ortsbeschreibungen galt es handschriftlich zu notieren, als Station eines Bummels durch die nur unscharf berechenbare Randzone des Teppichhausnetzwerkes. Wir sind unterwegs mit:

Karte02pantholz zwei (wvs)

Der Beitrag wurde auf Wunsch
von wvs wieder entfernt.


Nächste Etappe: videbitis
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Durch die nur unscharf berechenbare Randzone (1)

Genaue Ortsbeschreibungen galt es handschriftlich zu notieren, als Station eines Bummels durch die nur unscharf berechenbare Randzone des Teppichhausnetzwerkes. Unser Bummel beginnt mit:

MaranaKarte01

Von Hannover Richtung Nord-Nordwest 110 km Luftlinie und noch 100 Meter weiter. Um halb zehn am Freitag morgen stehe ich vor der Kreuzung Lindenstraße, Krummwinkel und Am weißen Sande, nachdem ich der Weisung des Herrn TT gefolgt und notizblockbewehrt hundert Meter Richtung Nord-Nordwest ausgeschritten bin.

Der Blick ist gefangen von der Rönnschen Mühle mit seinen breitbrüstigen Wirtschaftsanbauten. Die Mühlenflügel ragen in den blauen Himmel und signalisieren, dass die Mühle schon lange stillsteht. Es gibt einen wunderbaren Bericht über die heutige Nutzung des Geländes, auf den ich hiermit hinweisen möchte, und Herr TT als Meister der Sprache hat uns schon vieles über Sprache und Schrift offenbart, aber von der Mühlensprache meine ich bei ihm noch nichts gelesen zu haben.

Aber weiter: Die Straßenkreuzung ist eigentlich keine Kreuzung, auch keine Gabelung, aber was nun? Wie könnte man beschreibend schildern, was man mit einem Bleistift null Komma nichts aufgezeichnet hätte? Schräg verläuft die führende Straße, rechts neben der trockenen, braunblättrigen Buchenhecke des Mühlengeländes zweigt eine Straße ab, die verlangsamt wurde durch einen „liegenden Polizisten“. Stopp, halt, von meinem Standpunkt aus kann ich die geschilderte Bremsschwelle gar nicht sehen, das stammt aus meiner Erfahrung, im wahrsten Sinne des Wortes. Abwärts zur mir her führt die „schnelle“ Straße, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass nur ein Bürgersteig den Fußgängern zur Verfügung steht, obwohl beidseitig bebaut, und trotz der abgestellten Autos zur beschleunigten Fahrt hinab zur Bahnhofstraße reizt, sei es als zweirädriger Pedalritter oder als vierrädriger Benzinverprunzer.

Die Straßenbebauung ist nicht geschlossen, und das spitzwinklige Eck zwischen beiden Straßenzügen, das rechts von mir und schräg gegenüber dem Mühlengrundstück liegt, wird beherrscht von einer großen Linde, unter der mit Bank, kleiner Rasenfläche und Rahmung von gekugelten Buchsbäumen ein lauschiges Plätzchen geschaffen wurde, mittlerweile eigentlich mehr für sich lösende Hunde als für einen ruhenden Rentner oder eine –In.

Zwei Farbtupfer ziehen das schauende Auge an der Wegverzweigung auf sich. Auf dem unbefestigten, verkrauteten Straßensaum unterhalb des Lindenecks steht der gelbe Kasten mit Winterstreugut, der verschlossen wie ein Tresor das helfende Gut bewahrt. Aber auch hier, halt , stopp, ich habe nicht überprüft, ob man sich dort nicht doch noch wie in früheren Zeiten bedienen kann, also gebe ich hier nur eine vage Vermutung zum Besten, die sich mir nur schauend aufdrängte.

Der hellblaue Verteilerkasten an der mir gegenüberliegenden Kreuzungsecke neben der mühlengrundstücksbegrenzenden braunen Hecke wurde einstmals von Kinderhand bildlich gestaltet. Und was sehe ich noch? Bäume und Buschwerk, erstere ohne Blätter und noch ohne knospenden Grünhauch und letzteres mit winterhartem Blattwerk oder auch ohne.

Ich weiß nicht, wohin die Schilderung noch führen sollte oder könnte, und ich gestehe, dass ich den Fotoapparat zwecks visueller Demonstration mitgenommen hatte, und ich gestehe weiter, dass mein Notizblock leer blieb, da ich dieses Fleckchen Erde aus dem ff kenne, der Standort des Sehens musste allerdings ausgelotet werden heute morgen um halb zehn.

Mühlensprache

Wird halbstündlich fortgesetzt. - Nächste Etappe wvs
1314 mal gelesen

Eine surrealistische Landkarte der nur unscharf berechenbaren Randzone - Seminar "Aspekte der Handschrift" (3)

Wann immer ich etwas aus der Erinnerung zeichne und nachher meine Zeichnung vergleiche mit den realen Gegebenheiten, stelle ich fest, dass die Zeichnung an vielen Stellen ungenau ist und Leerstellenfüllungen enthält, wo meine Erinnerung versagt hat. Ähnlich ist es mit dem Schreiben. Bei meiner Reportageserie über die Linie 9 in Hannover bin ich alle Teilstrecken ein zweites Mal gefahren, weil ich manches einfach nicht mehr genau wusste und auch keine Notizen darüber hatte.
notieren
Heute wollen wir einen Anwendungsbereich der Handschrift erproben, der noch recht geläufig ist, das genaue Notieren. Dazu brauchen wir einen Schreibanlass. Wir erstellen eine surrealistische Landkarte von der nur unscharf berechenbaren Randzone des Teppichhauses. Es steht bekanntlich in Hannover. Die Randzone des Gebietes zwischen dem Teppichhaus und Ihrem Wohnort gilt es zu bestimmen.

Das geht so: Vergewissern Sie sich auf einer Landkarte, wo Hannover liegt. Nehmen sie ein Notizbuch und einen Stift, verlassen Sie bei Tageslicht Ihre Wohnung und gehen Sie 100 Schritte von Hannover weg. Leben Sie beispielsweise südlich von Hannover, gehen Sie 100 Meter nach Süden. Dort bleiben Sie stehen und notieren genau, was Sie von Ihrem Standpunkt aus wahrnehmen. Kehren Sie zurück und schreiben Sie Ihre Notizen ab. Wenn Sie wollen, dann ermitteln Sie über einen Routenplaner die ungefähre Entfernung von Hannover und fügen die Angabe Ihrem Text hinzu. Das ist aus Gründen des Datenschutzes nicht unbedingt erforderlich, aber bitte immer die Himmelsrichtung angeben. Schicken Sie ihren Text an mich (bitte bis Samstag in einen Kommentarkasten).

Die nur unscharf berechenbare Randzone unseres Blog-Netzwerkes will ich am kommenden Sonntag grafisch darstellen, und Ihre Texte werden zeigen, wie es dort aussieht. Ich freue mich schon auf unseren gemeinsamen Bummel durch die nur unscharf berechenbare Randzone am kommenden Sonntag.

Die Idee der surrealistischen Landkarte entnahm ich dem Buch: Boehncke/Humburg; Schreiben kann jeder, Reinbek b. Hamburg, 1980. Im Internet hat das meines Wissens noch niemand gemacht. Wir betreten also Neuland. Anregungen und Änderungsvorschläge sind willkommen. Selbstverständlich können Sie die Idee adaptieren und die Aktion, auf Ihren Wohnort bezogen, ebenfalls in Ihrem Blog durchführen.

Viel Vergnügen!
Trithemius
2392 mal gelesen

10 - 20 Schreiber gesucht! Handschriftenseminar (3)

notieren

Heute 20:20 Uhr: Seminar"Aspekte der Handschrift"
Thema: Notieren. Die surrealistische Landkarte der nur unscharf berechenbaren Randzone - Vorbesprechung einer praktischen Internet-Übung.

Teilnehmen kann jeder. Einen Scanner brauchen wir diesmal nicht.
Alle Seminare "Aspekte der Handschrift" und Ergebnisse:
Schriftwelt im Abendrot
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