Jüngling der Schwarzen Kunst – 5 – Allerlei Versautes

Täglich nimmt der Jüngling den ersten Bus um 6 Uhr 35. Es gibt auf dieser Linie zwei Busfahrer, die sich abwechseln, der dicke Hubert und das nervöse Karlchen. Obwohl er im Nachbardorf nur zwei Kilometer entfernt seine Schicht beginnt, kommt Hubert fast immer zu spät. Kommt mit derselben Selbstverständlichkeit zu spät, mit der er der dicke, Respekt einflößende Hubert ist. Hubert soll ein Frauenheld sein, ist irgendwie tierhaft, immer unwirsch, wie es manche Frauen mögen. Im Sommer sitzt er im Unterhemd hinterm Steuer. Es ist auf ihn kein Verlass, nicht mal auf seine Unpünktlichkeit. Fünf Tage kommt er zwanzig Minuten zu spät, und am sechsten Tag auf die Minute, so dass, wer sich auf Huberts Unpünktlichkeit einstellt, den Bus verpasst.

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Ein Bild und seine Gedichte (10) – Von Äpfeln träumen

Neues Bild und neue Einladung zum Dichten


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Jüngling der Schwarzen Kunst – Berichtsheft 3 – Die 13. Gasse

Des Jünglings Kindheit endete so abrupt wie eine Kindheit beginnt. Nach seinem ersten Arbeitstag steht er in der häuslichen Dachstube auf dem Stuhl und schaut aus dem Fenster der Dachgaube. Hinter ihm bereitet seine Mutter das Abendbrot. Er fragt: „Muss ich das jetzt mein ganzes Leben machen?“ Sie antwortete nicht, weiß genau, dass er nicht zum Fenster hinauszuschauen meint. Vielleicht will sie das Schreckliche der Aussicht auf sein Leben nicht sehen, vielleicht denkt sie, dass er eines Tages groß genug sein würde, um nicht mehr auf dem Stuhl stehen zu müssen, wenn er aus dem Fenster schauen will. Vielleicht hat sie aber auch einen Funken Hoffnung, dass er nicht sein Leben lang am Setzkasten stehen würde, dass er einen Weg finden würde, darüber und sogar über sich hinauszuwachsen. Das aber wagt sie nicht zu sagen, er ist noch zu klein für diese Idee.

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Jüngling der Schwarzen Kunst – Berichtsheft 2 – Fräulein Lamboy und der Laut des Besens

Historisch betrachtet sind Groß- und Kleinbuchstaben Urgroßeltern und Urenkel. Unsere Großbuchstaben stammen von der Römischen Capitalis ab. Nach dem Zusammenbruch der römischen Kultur wandelte sich die Capitalis unter dem Einfluss neuer Schreibmaterialien, Schreibtechniken und Schreibziele zur Kleinbuchstabenschrift. Etwa um 800 war dieser Prozess mit der Karolingischen Minuskel abgeschlossen. In den folgenden Jahrhunderten verfällt die Schrift. Erst die Humanisten der Renaissance besinnen sich wieder auf die klar lesbare Karolingische Minuskel. Sie halten sie fälschlich für eine Schrift der Römer und verbinden sie mit der Römischen Capitalis, die ihnen von den antiken Denkmälern, Säulen und Portalen noch klar entgegentritt. Diese Kombination aus römischen Majuskeln und karolingischen Minuskeln nennen sie Antiqua. Nachträglich kam nur der i-Punkt hinzu und das kleine t hat sich vorwitzig die Andeutung einer Oberlänge angeeignet. Es ist die Form unserer Schrift bis heute.

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Das Flüchtlingselend ist unser Elend

„Tina, jetzt brauche ich nen Schnaps!“, sagte ich vorgestern Abend der Gastgeberin, nachdem ich von einem mir bis dato unbekannten jungen Mann Ansichten gehört hatte, die so bodenlos waren, dass ich gar nicht gewusst hatte, wie ich argumentativ begegnen sollte. Immerhin war allem zu entnehmen, dass er wohl das Handelsblatt las. Welches neoliberale Drecksblatt noch für das krude Durcheinander in seinem Kopf verantwortlich war, – ich habe nicht nachgefragt.

Ich stehe sowieso schier machtlos vor der braunen gedanklichen Jauche die sich in letzter Zeit übers Land ergießt. Das nicht enden wollende Flüchtlingselend und unsere verantwortungs- und hilflos agierende politische Klasse haben ein menschenverachtendes Gedankengut in ungeahntem Ausmaß freigesetzt.


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Fragwürdiges aus der Welt der Gucci-Sonnenbrillen

Ein sonniger Samstagnachmittag am südlichen Ufer des Maschsees. Eine Gruppe von acht jungen Männern und Frauen kommt den Weg entlang. Einer entdeckt eine Sonnenbrille, die auf der Lehne einer Bank klemmt. Ergreift sie, zeigt sie erfreut rum, weil er sie als zweifellos teure Sonnenbrille von: „Gucci!“ erkannt hat und nimmt sie mit. Niemand aus der Gruppe widerspricht ihm. Auf der Bank haben zuvor ein Junge und ein Mädchen gesessen. Sie hatten wohl gerade ihr Abitur gemacht und sprachen über ihre Sprachkenntnisse und vor allem über Zukunftspläne. Mit dem Kopf in der Zukunft kann man beim Aufbrechen schon mal die Sonnenbrille vergessen.

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Jüngling der Schwarzen Kunst – Berichtsheft – Prolog

Nach acht Jahren Volksschule, im Alter von 13 Jahren wurde Hannes Overlack aus Nettesheim ein Jünger der Schwarzen Kunst, indem er in eine Schriftsetzerlehre eintrat. “Aventur und Kunst” hatte schon Gutenberg seine Erfindung genannt, Aventur bedeutete Wagnis und Abenteuer, denn die Erfindung dieser neuen Technologie war für den gelernten Goldschmied Gutenberg ein wirtschaftliches Wagnis gewesen, an dem er letzlich auch gescheitert ist, Kunst bedeutete handwerkliches Können. Als Druckfarbe ist ursprünglich nur Schwarz, ein Gemisch aus Leinöl und Ruß, zum Einsatz gekommen. Das Synonym Schwarze Kunst liegt daher nah, zumal bis ins 19. Jahrhundert nicht Johannes Gutenberg, sondern Johannes Faust als Erfinder galt, weshalb der Buchdruck lange Zeit als Technik geschimpft wurde, die sich unerlaubter, teuflischer Mittel bediente. Die Gesellen in Overlacks Lehrbetrieb riefen ihn Jüngling. Das ist die Bedeutung von “Jüngling der Schwarzen Kunst”.

Auf den folgenden Blättern aus einem Berichtsheft ist geschildert, wie der naive Jüngling sein Handwerk erlernt und wie er durch die Schrift aus der Beschaulichkeit seines Geburtsortes in eine komplex sich auffächernde Welt versetzt wird, für deren Verständnis ihm anfangs noch die Kategorien fehlen. Zum jungen Mann herangereift und allmählich begreifend, gerät er in eine gefährliche, für ihn höchst fatale Liebschaft voller sexueller Obsessionen und sieht sich unvermutet mit den Fernwirkungen des Nationalsozialismus konfrontiert. Der Bericht von dieser modernen Aventur und Kunst endet mit dem Niedergang des mittelalterlichen Handwerks und seiner Ersetzung durch Foto- und Computersatz. Das erste Blatt beginnt vor dem Anfang …

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Modetratsch

Um vier Uhr morgens werde ich wach, stehe kurz auf, gucke aus dem Fenster, stelle fest, dass es noch regnet, sinke zurück ins Bett, aber kann nicht wieder einschlafen, egal wie ich mich drehe, obwohl ich bei Regen doch immer gut schlafen kann. Die ganze Zeit muss ich über ein Wort nachdenken, dass ich gestern gelernt habe und wozu mir in der Straßenbahn prompt die entsprechende Erscheinung in der Dingwelt untergekommen ist, so dass ich dachte, hättest du jetzt die Kamera bei dir und wärest dreist genug, könntest du das Ding fotografieren. Ich wälze also das Wort durch meinen Kopf, betrachte es von allen Seiten, und wie Körper und Geist miteinander korrespondieren, so muss ich mich auch im Bett hin und her wälzen, wälze diesen Text quasi in mein Bettzeug, aber kriege ihn nicht auf die Reihe, so dass er als fertiges Produkt zu nehmen wäre und flugs aufzuschreiben. Also ergebe ich mich, stehe auf, mache Kaffee, packe mir den Klapprechner auf den Schoß und versuche schreibend Struktur in meine Gedanken zu bringen. Inzwischen ist es 5:37 Uhr und mir ist es noch nicht gelungen, mit dem Wort rauszurücken.

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