Vöglein schlägt Papiertiger
von Trithemius - 12. Apr, 12:11
Man könne der Evolution ja dankbar sein, dass Saurier nicht mehr in der Welt herumtrampeln, sondern hübsch verkleinert als Vöglein von Ast zu Ast hüpfen, sagte Coster. Doch das Zwitschern, Zirpen und Tirili oben auf dem Lousberg habe ihn oftmals ins grünende Gezweig aufschauen lassen, so dass er noch schlechter vorangekommen sei als am Vormittag.
Den Vormittag habe er auf der Dachterrasse verbracht, wo er über einem Manuskriptstapel gesessen und lektoriert habe. Unter dem luftigen Himmel sei er anfangs gut vorangekommen, habe sich leichtfüßig durch die Beiträge der verschiedenen Autoren bewegt und nur ab und zu etwas angestrichen - gleich dem übermütigen Wanderer, der Brennnesseln mit einem Stecken köpft.
Dann sei die Medizinstudentin von Parterre heraufgekommen und habe sich zu ihm gesetzt, um in einem medizinischen Fachbuch zu lesen. Zuerst habe er sich gestört gefühlt, doch dann habe er gemerkt, dass es sich durchaus beflügelnd auf seine Arbeit auswirkte, mit dieser Frau übereck am hölzernen Gartentisch zu sitzen und zu schweigen. Schon sei er milder mit den Sätzen der Autoren gewesen und habe ihnen so manches durchgehen lassen, wo unter anderen Umständen sein Bleistift grob hinein gefahren wäre.
Später sei die Tür zum Treppenhaus aufgegangen und ihr Freund, ein junger Arzt, habe sich zu ihnen gesellt. Der habe sogleich begonnen, seine Freundin abzuhören, allerdings nicht mit dem Stethoskop, sondern indem er sich das Medizinbuch griff. Er las ihr streng den fiktiven Zustand eines Patienten vor, zählte medizinische Messwerte auf und verlangte die Diagnose sowie eine Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen. Wenn sie die richtige Antwort gab, lobte er sie freundlich, um sofort den nächsten Patienten vorzuführen. Zwei-, dreimal lachten sie, weil der Patient ihr versehentlich gestorben war.
Er, Coster, habe gedacht, wie unterschiedlich die Welten doch seien. Die beiden Mediziner redeten von Lebensrettungsmaßnahmen für den akut am Herzen erkrankten Menschen. Er hingegen habe sich derweil mit der zu Buchstaben erstarrten Sprache eines Autors beschäftigen müssen, den er liebend gern erschlagen hätte. Da sei ihm sein Tun recht müßig erschienen, zumal ihm ständig Wörter wie „Herzinsuffizienz“, „Magnesiumgaben“ und „Defibrillation“ um die Ohren geflogen seien, was es ihm unmöglich gemacht habe, konzentriert zu lesen.
Seine verminderte Aufmerksamkeit habe erst recht die Schwäche des Textes offenbart. Ständig habe er an den Befund Mark Twains denken müssen, ein deutscher Durchschnittssatz handele "(...) von vierzehn oder fünfzehn verschiedenen Gegenständen, jeder in einer eigenen Parenthese eingeschlossen, mit zusätzlichen Parenthesen hier und da, die wiederum drei oder vier Unterparenthesen einschließen, so dass Hürden innerhalb der Hürden entstehen; schließlich werden alle Parenthesen und Unterparenthesen zwischen zwei Überparenthesen zusammengeballt, deren eine in der ersten Zeile des majestätischen Satzes liegt und die andere in der Mitte der letzten Zeile und danach kommt das Verb, und man bekommt zum ersten Mal heraus, wovon der Mann gesprochen hat. (...)"
Twains tröstenden Rat, deutsche Texte seien ziemlich leicht zu lesen, wenn man sich auf den Kopf stellt, um den Aufbau umzukehren, habe er leider nicht ausprobieren können, sagte Coster, denn die beiden Mediziner hätten dann vermutlich Notfallmaßnahmen an ihm vollzogen. Daher habe er sich verabschiedet und sei mit Duden und Manuskript im Rucksack auf den Lousberg hinaufgeradelt. Das ferne Dröhnen der Stadt zu seinen Füßen habe kaum gestört, wenn da die Sauriernachfahren nicht gewesen wären. Denn mit dem lustvollen Tschilpen der Vöglein habe keiner der Autoren des Manuskriptes sich messen können.
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Den Vormittag habe er auf der Dachterrasse verbracht, wo er über einem Manuskriptstapel gesessen und lektoriert habe. Unter dem luftigen Himmel sei er anfangs gut vorangekommen, habe sich leichtfüßig durch die Beiträge der verschiedenen Autoren bewegt und nur ab und zu etwas angestrichen - gleich dem übermütigen Wanderer, der Brennnesseln mit einem Stecken köpft.
Dann sei die Medizinstudentin von Parterre heraufgekommen und habe sich zu ihm gesetzt, um in einem medizinischen Fachbuch zu lesen. Zuerst habe er sich gestört gefühlt, doch dann habe er gemerkt, dass es sich durchaus beflügelnd auf seine Arbeit auswirkte, mit dieser Frau übereck am hölzernen Gartentisch zu sitzen und zu schweigen. Schon sei er milder mit den Sätzen der Autoren gewesen und habe ihnen so manches durchgehen lassen, wo unter anderen Umständen sein Bleistift grob hinein gefahren wäre.
Später sei die Tür zum Treppenhaus aufgegangen und ihr Freund, ein junger Arzt, habe sich zu ihnen gesellt. Der habe sogleich begonnen, seine Freundin abzuhören, allerdings nicht mit dem Stethoskop, sondern indem er sich das Medizinbuch griff. Er las ihr streng den fiktiven Zustand eines Patienten vor, zählte medizinische Messwerte auf und verlangte die Diagnose sowie eine Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen. Wenn sie die richtige Antwort gab, lobte er sie freundlich, um sofort den nächsten Patienten vorzuführen. Zwei-, dreimal lachten sie, weil der Patient ihr versehentlich gestorben war.
Er, Coster, habe gedacht, wie unterschiedlich die Welten doch seien. Die beiden Mediziner redeten von Lebensrettungsmaßnahmen für den akut am Herzen erkrankten Menschen. Er hingegen habe sich derweil mit der zu Buchstaben erstarrten Sprache eines Autors beschäftigen müssen, den er liebend gern erschlagen hätte. Da sei ihm sein Tun recht müßig erschienen, zumal ihm ständig Wörter wie „Herzinsuffizienz“, „Magnesiumgaben“ und „Defibrillation“ um die Ohren geflogen seien, was es ihm unmöglich gemacht habe, konzentriert zu lesen.
Seine verminderte Aufmerksamkeit habe erst recht die Schwäche des Textes offenbart. Ständig habe er an den Befund Mark Twains denken müssen, ein deutscher Durchschnittssatz handele "(...) von vierzehn oder fünfzehn verschiedenen Gegenständen, jeder in einer eigenen Parenthese eingeschlossen, mit zusätzlichen Parenthesen hier und da, die wiederum drei oder vier Unterparenthesen einschließen, so dass Hürden innerhalb der Hürden entstehen; schließlich werden alle Parenthesen und Unterparenthesen zwischen zwei Überparenthesen zusammengeballt, deren eine in der ersten Zeile des majestätischen Satzes liegt und die andere in der Mitte der letzten Zeile und danach kommt das Verb, und man bekommt zum ersten Mal heraus, wovon der Mann gesprochen hat. (...)"
Twains tröstenden Rat, deutsche Texte seien ziemlich leicht zu lesen, wenn man sich auf den Kopf stellt, um den Aufbau umzukehren, habe er leider nicht ausprobieren können, sagte Coster, denn die beiden Mediziner hätten dann vermutlich Notfallmaßnahmen an ihm vollzogen. Daher habe er sich verabschiedet und sei mit Duden und Manuskript im Rucksack auf den Lousberg hinaufgeradelt. Das ferne Dröhnen der Stadt zu seinen Füßen habe kaum gestört, wenn da die Sauriernachfahren nicht gewesen wären. Denn mit dem lustvollen Tschilpen der Vöglein habe keiner der Autoren des Manuskriptes sich messen können.
das beliebte beispiel dazu...
“The trunks being now ready, he de- after kissing his mother and sisters, and once more pressing to his bosom his adored Gretchen, who, dressed in simple white muslin, with a single tuberose in the ample folds of her rich brown hair, had tottered feebly down the stairs, still pale from the terror and excitement of the past evening, but longing to lay her poor aching head yet once again upon the breast of him whom she loved more dearly than life itself, parted.”
edit: es geht um das wort departed, welches hier auseinandergerissen ist - im sinne des deutshen abreisen, also er reiste - bla, bla, bla, bla (über 7 zeilen) ab
;)