Zirkus des schlechten Geschmacks

Gepfiffener Spatzendreck und fröhliches Schnackseln

Super-MittwochAls dem Redakteur der Aachener Woche aufgetragen ward, etwas über den neuen Ordensritter wider den tierischen Ernst zu vermelden, schlug er die Hacken zusammen, zog den verbalen Sonntagsbratenrock über und schrieb von „Oberen“ und von „Herren“, die irgendwo „weilen“, um einem „designierten Ritter den Ritter anzutragen“. Der Name sei eigentlich das „bestgehütetste Geheimnis“ gewesen, jetzt jedoch würden die Spatzen „in großen Lettern Mario Adorf von den Dächern“ pfeifen.

Es ist also letztens am Münchener Bayerischen Hof ziemlich gefährlich gewesen. Die großen Lettern fielen nur so von den Dächern. Inzwischen pfeifen die Spatzen die Brocken von allen Häusern der Republik. Besonders vor den Kapitalbuchstaben A und M muss man sich in Acht nehmen. Am Ende wird noch jemand von den Initialen eines Ritters wider den tierischen Ernst erschlagen. Inhaltlich ist an der Meldung jedoch nichts auszusetzen, denn tatsächlich war der Name des designierten Ordensträgers ein Geheimnis. Das brauchte allerdings niemand zu behüten, mangels Relevanz. In den letzten Jahren fielen die Namen folgender Personen von den Dächern:
Friedrich Merz - Der lustige Bierdeckel-Steuererklärungs-Propagandist stahl seine Karnevalsrede in Teilen aus dem Internet. Im Jahr 2007 klagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Merz erfolglos vor dem Bundesverfassungsgericht, weil er seine Nebeneinkünfte nicht offenlegen wollte.
Wendelin Wiedeking, Vorstand der Porsche AG - Er strich 2007 ein Gehalt von 60 Millionen Euro ein, und vermutlich deshalb nennt ihn der AKV: „Robin Hood der Wirtschaft“.
Guido Westerwelle, FDP-Parteivorsitzender - In seiner Porsche-Laudatio reimte er werbewirksam: „Ich reih' mich ein als Gratulant und freu' mich schon auf eine forsche Rede aus dem Hause Porsche: Perfekt entworfen, flott und spritzig, stark im Auftritt, schnell und witzig. In seinen Adern fließt Benzin - Hoch lebe Ritter Wendelin!“
Joachim Hunold - Chief Executive Officer (CEO) der Air Berlin PLC; der Ordensritter 2007 wurde von der Liste gestrichen, weil er bei der Ordensverleihung zu dreist für sein Unternehmen warb, weshalb die ARD sich aus der Übertragung der Verleihung zurückziehen wollte.
Gloria von Thurn und Taxis, angeheiratete Fürstin - Die notorische Katholikin bekam den Orden vermutlich wegen ihrer Bemerkung bei Friedman: „Afrika hat Probleme nicht wegen fehlender Verhütung. Da sterben die Leute an AIDS, weil sie zu viel schnackseln. Der Schwarze schnackselt gerne.“
Was ist lustvoller, diesen peinlichen Personen zuzusehen, wie sie einander feiern, oder nach Herzenslust zu schnackseln? Halt, bitte einen Moment Geduld, das steigert die Lust. Es gilt noch nachzutragen, wer die „Herren“ sind, die alljährlich irgendwo „weilen“, um dem „designierten Ritter den Ritter anzutragen“:
Hans Wollgarten, Präsident des Aachener Karnevals-Vereins 1859 e.V., ist selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er betreibt eine Kette von Kanzleien in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat kürzlich gegen ihn einen Strafbefehl von 40.000 Euro erlassen. Wegen? Steuerhinterziehung.
Boris Bongers - AKV-Vizepräsident, Diplomkaufmann, Vertriebsdirektor eines Aachener Kosmetikunternehmens und sucht nach eigenen Angaben "autochthone Weine“, womit vermutlich nicht der saure Karnevalswein vom Aachener Wingertsberg gemeint ist.
Patrik Hoesch - AKV-Geschäftsführer, Betriebsökonom und Manager einer großen Kanzlei für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Tugenden laut AKV-Webseite: "Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und gewissenhafte Menschen. Untugenden: Hinterlistigkeit und Neid“.
Kein Wunder, dass der Redakteur der Aachener Woche in sprachliche Habacht-Stellung verfiel, angesichts der erlesenen Schar von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern und den anderen „Oberen“, über die er schreiben durfte. Das erinnert an die Bemerkung von Heinrich Heine, der Aachener komme daher wie einer, der den Stock verschluckt hat, mit dem er vorher verprügelt wurde. Man sollte denken, die Zeiten von Kleinmut und Obrigkeitsdenken sind vorbei, doch mit dieser verschmockten Berichterstattung ist Heine noch nicht widerlegt.

Zirkus des schlechten Geschmacks
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Bringt die Clowns herbei!

Penn-Karnevalisten-aufgewac

Es laufen ja genug Clowns umher, doch zu packen sind sie kaum. Also ehrlich, wer noch nicht gaga ist, hat nichts zu lachen, denn er weiß vor lauter Schocks und Krisen nicht mehr, in welchem schwarzen Loch sich sein Kopf gerade befindet, und man kann schon froh sein, wenn er wenigstens nicht im Hintern eines Mächtigeren steckt. Wir wissen ja schon seit dem Gilgamesch-Epos, dass im Seelengrund jedes Menschen ein Untier hockt und auf seinen Einsatz wartet. Allerdings scheint die Spezies Mensch neuerdings vom kollektiven Selbstvernichtungswahn befallen zu sein. Einige sind bereits völlig durchgeknallt und wollen den ohnehin drohenden Weltuntergang unbedingt beschleunigen, und zwar auf Lichtgeschwindigkeit. Muss das sein? Ist das eigentlich nötig? Was kann dabei herauskommen außer der Option auf den Nobelpreis? Der ist ja sinniger Weise von einem Dynamitfabrikanten gestiftet worden. Das hat er geschickt eingefädelt, der gerissene Hund. Ihm zu Ehren basteln Wissenschaftler aus aller Welt an einem Knall, den dieser Erdball noch nicht erlebt hat. Damit den Wissenschaftsclowns auch ja keiner die Show vermasselt, wurde CERN übrigens von der Staatengemeinschaft zum exterritorialen Gebiet erklärt. Vor dem schwarzen Loch sind alle Weißkittel gleich.

Die einen mästen ihr inneres Untier mit der Idee vom Nobelpreis, die anderen mit dem Anabolika Geld, und die zu wenig davon haben, lechzen danach, weil sie auch endlich mal Unmensch sein wollen. Die Geld- und Machtsüchtigen haben sich in letzter Zeit mächtig ins Zeug gelegt, den Auftakt des Weltuntergangs zum Megaevent zu machen. Ihre kunstvollen Krisen fegen als apokalyptische Reiter um den Globus. Wo sie waren, wächst kein Gras mehr. Und in jeder TV-Talkrunde sitzen die falschen Propheten in bester Verkleidung, und die Redakteure der Sendungen bemühen sich keinen Deut darum, an den Perücken und falschen Bärten zu zupfen. Nie erfährt der Zuschauer, von welchem Interessensverband die Propheten bezahlt und ausgesandt wurden. Seit Tagen sage ich mir, das Ganze ist ein wirklich gut gebauter Witz mit einer echt knalligen Pointe. Das ist internationale Hochkomik. Den Witz versteht nicht jeder. Es wird Zeit für die karnevalistische Aufarbeitung.

Von den Narren mit den umgedrehten Jakobinermützen war in den letzten Monaten nichts zu sehen. Sie hielten Sommerschlaf. Dabei hätten wir ihr gutgelauntes Föttchenwackeln gut gebrauchen können.
Mier laache ons kapott, dat nennt mer Krise,
Mier laache ons kapott, dat nennt mer schön, …
– das geht leicht in jeden Kopf. Davon brauchen wir dringend mehr. Zum Glück sind wenigstens die Aachener Penn-Karnevalisten aus der Sommerpause zurück, sind aufgewacht, haben sich das Gesicht zurechtgerückt, Schlips um den Hals, Kappe weiter oben, und dann raus ins Geschehen. Wo gibt es was zu lachen? Alaaf, das Welttheater ist aber wirklich ein schwer zu erklärender Witz. Der Kassierer sagt: „Wir machen jut Wetter mit der Portokasse und verschenken einen Riesenscheck!“ Die Rettung kommt vom Präsidenten: „Männer, wir legen noch einen drauf und verteilen die Summe auf zwei Riesenschecks!“ Übrigens, nicht nur die Riesenschecks bestehen überwiegend aus Papier. Ich würde an deiner Stelle auch keine Dollars mehr annehmen, wenn du dir noch was leisten willst vor Alfred Nobels posthumen Ehrenknall.

Zirkus schlechten Geschmacks
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Wild gewachsene Schwerkraft

Fünf

Den nordöstlichen Hang des Aachener Lousbergs hinunter erstreckt sich ein verwilderter Park, der zu einem Kloster im Tal der Soers gehört. Ein Kranz aus hohen Buchen und Kleingehölz umschließt eine ausgedehnte Hangwiese. Im Talgrund liegt ein stiller Teich. Jahrzehnte hat er kaum je Besucher gehabt, denn der Klosterpark war nur vom Kloster aus zugänglich. An den Lousberg grenzt der kleinere Salvatorberg. Am Pass beginnt die Buchenallee. Sie ist von kleinen Buchen gesäumt, deren Kronen den Weg überspannen, und führt bis zum Ende des Lousbergs am Hang entlang. Bei sommerlicher Hitze bieten die Buchen angenehme Kühle. Zudem weht von den Wiesen beständig ein Luftzug herauf, fängt sich in den Blättern und erfrischt den Geist. Links steigt der Lousberg auf, rechts geht der Blick über das Soerstal hinweg, bis hin zum Höhenzug des Aachener Kessels. Am Horizont steht die mächtige weiße Fahne eines Kühlturms, so dass man denken könnte, dort werden die Wolken gemacht.

Auf halber Höhe beschreibt die Buchenallee eine S-Kurve und führt steiler bergauf. Anfangs der Kurve beginnt der Klosterpark. Die Sicht wird von einer Ziegelmauer versperrt. Seit einigen Monaten steht die Pforte offen. Hinter der Pforte geht es ziemlich steil bergab. Einige Wegpassagen haben aus Ziegeln gemauerte Stufen. Herabströmendes Wasser hat die Fugen ausgewaschen, so dass die Tritte wie lückenhafte Gebisse sind, aus denen sich weitere Zähne lockern. An anderen Stellen sind die Stufen unter dem Waldboden verschwunden. Hier war einmal ein ordnender Geist am Werk gewesen, der Halt geben wollte. Er ist weg, und jetzt herrschen andere Kräfte.

Wenn du mitkommst, dann auf eigene Gefahr. So steht es auf dem Schild am Eingang. Man braucht einen langen Atem, denn der Abstieg zieht an den Kräften. Zum Glück scheint heute eine kalte Sonne. Bei Regen wäre der Weg nicht zu wagen. Trotzdem ist nicht ausgemacht, ob wir heil hinunter kommen und erst recht nicht, ob wir später vom Tal aus die Kurve kriegen und den Wiederaufstieg zur Buchenallee schaffen. Mir scheint es sogar unwahrscheinlich. Denn der Park ist nicht so idyllisch wie er auf den ersten Blick scheint. Beim Hinsehen zeigt sich dieses ungeheuerliche Morden und Fressen, aus dem Leben besteht. Du kannst dich im Augenblick sicher wähnen, doch im Mäusehaus herrscht gerade Panik, weil drüben über der Lichtung ein stattliches Raubvogelpaar seine Kreise zieht.

Vier

Eingang Klosterpark

Sobald wir nicht mehr hintereinander absteigen müssen, da vorn zwischen den mächtigen Buchen, möchte ich dir etwas erzählen, worüber ich seit langem nachdenke. Heute Mittag habe ich eine Weile am Münsterplatz in der Sonne gesessen, mal dem bunten Treiben zugeschaut, mal in mein Blöckchen gekritzelt, worüber ich mit dir reden möchte. Der Kaffee wurde kalt, das Blöckchen war bald voll, und dann packt mich die Ungeduld und ich fuhr nach Hause. Natürlich lese ich dir nichts aus meinem Notizbüchlein vor. Stift und Papier haben ja nur geholfen, die Gedanken zu Ende zu denken und zu ordnen.

Vor einigen Jahren traf ich zwei Jugendfreunde wieder, die ich seit meiner Jugend nicht mehr gesehen hatte. Wir fuhren für drei Tage auf die Insel Texel, wo wir damals zusammen gewesen waren. Während dieser nostalgischen Tour wurde mir eine Illusion geraubt. Einer der beiden Freunde war zu meinem Erstaunen in die Chefetage eines weltweit operierenden Unternehmens aufgestiegen. Er hatte nur die Handelsschule besucht, doch offenbar hatte man ihm dort das Rechnen beigebracht. Zuletzt flog er in der Welt umher und betreute die vielen Niederlassungen des Unternehmens. Dann musste er nacheinander zuerst die spanische, dann die englische Filiale schließen. Die Mitarbeiter dort zu entlassen, fiel ihm schwer. Er schlief schlecht, denn es plagte ihn das schlechte Gewissen. Die Londoner Niederlassung hatte Gewinne gemacht, und es gab zwar einen Grund, aber keinen vernünftigen Grund, sie zu schließen. Einer aus dem Vorstand des Mutterkonzerns hatte eine Geliebte in London gehabt und war regelmäßig hingeflogen, wobei ihm die dortige Niederlassung einen guten Vorwand bot. Dann war die Beziehung in die Brüche gegangen, weshalb der Mann das Interesse an London verlor und die Schließung der Niederlassung anordnete. Mein Freund hatte diese irrationale Entscheidung ins Werk gesetzt und erwog seither, den Job zu schmeißen.

Drei

Seinen Bericht mochte ich gar nicht glauben, denn ich hatte mir vorgestellt, auf den Vorstandsetagen würde nach streng rationalen Gesichtspunkten entschieden, abseits von Sentiment und allein den Kapitaleignern verpflichtet. Denn ist es nicht das, was sie uns immer erzählen? Sie entlassen trotz fetter Gewinne tausende Mitarbeiter, und regt sich Kritik, dann schicken sie ihre hoch bezahlten Vasallen in die Talkshows und lassen verkünden, dass man leider so handeln musste, um das Unternehmen sicher aufzustellen. Es gelte, den stets drohenden feindlichen Übernahmen zu begegnen, also brauche man Geld, um seinerseits Unternehmen zu schlucken. Gekaufte Wirtschaftsprofessoren predigen Lohndumping, eitle Chefredakteure von Finanzzeitschriften beklagen die deutsche Gesetzgebung als schier unüberwindbares Hindernis für den Aufschwung, neoliberale Politiker schwafeln von den Kräften der Globalisierung, denen man nur mit der Abschaffung sozialer Errungenschaften wirksam begegnen könne, - und das dumme Vieh nickt ab und fügt sich, weil ja nie die Rede davon ist, dass es nicht um Unvermeidliches, sondern um Entscheidungen von Personen geht, bei denen der Schwanz, die Geldgeilheit oder beides regieren.

Derzeit reichen alle rhetorischen Winkelzüge nicht aus, das Desaster in der Welt zu beschönigen, das durchgeknallte Investment-Banker angerichtet haben. Es fehlen selbst dem neoliberalen Gesocks die Worte angesichts der Billionen, die weltweit verpulvert wurden. Keiner weiß Rat, niemand weiß, welche Erschütterungen noch kommen und wen sie mitreißen werden. Nervosität macht unvorsichtig. Plötzlich zeigt sich die verlogene Gesinnung der Eliten fast unbemäntelt, und wer gut zuhört, kann erstaunliche Bekenntnisse hören, die alles bezeugen, was man sich nicht ausmalen wollte, da sie bar sind jeder Vernunft und Verantwortung.

Zwei

abwärtsWas ist? Ich habe doch gesagt, der Weg ist steil. Halt dich an einem Zweig fest, bevor du abrutschst. Wir sind ja auch schon bald unten, und können uns auf der Bank am Teich ausruhen. Es wird dir gefallen - da ist noch Sonne. Ein dutzend Tritte über die alten Stufen, und wir haben es vorerst geschafft. Wenn du hier strauchelst, liegt es in deiner Verantwortung.

Weißt du, was mich am meisten erstaunt? Am Sturz der Banken ist niemand verantwortlich. Das hat Hilmar Kopper, der Exvorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, im Fernsehen gesagt. Wenn der kleine Finanzmakler am Computer riskante Geschäfte macht, dann tut er das nicht aus Bosheit, sondern aus Not. Wenn er sich weigert, macht er geringere Gewinne als seine Kollegen und muss seine Entlassung fürchten. Das ist einfach so: Die Gesetze des Marktes richten sich immer nach den übelsten Gaunern. Um Schaden abzuwenden, muss man nach deren Gesetzen handeln.

Warum der Staat nicht den schändlichen Verkauf von Haushypotheken an Finanzinvestoren verbietet, wurde Hans Eichel gefragt. Er sagte, dass man den Banken diese Möglichkeiten nicht ganz verwehren dürfe, denn wenn sie einmal kurzfristig klamm sind, weil sie sich beispielsweise mit faulen Finanzpaketen verspekuliert haben, könnten sie sich mit dem Verhökern von Hausbesitzerschicksalen frisches Kapital besorgen. Das ist ulkig, findest du nicht? Der kleine Haubesitzer wird ja nicht gefragt, ob er seiner Großbank mal eben aushelfen will. Seine Existenz, seine Nöte, wenn sein Haus versteigert wird, - kannste vergessen. Leute wie Guido Westerwelle wollen unser Land gänzlich nach diesen Marktgesetzen ausrichten. Der Staat solle sich raushalten und die hemmenden Gesetze abschaffen. Die Politik verstehe sowieso nichts von Wirtschaft, tönte der smarte Chefredakteur, daher sei die IKB in die Pleite gegangen wie auch einige Landesbanken in Öffentlicher Hand. Was die Finanz-Experten und Banker von Wirtschaft verstehen, dürfen wir derzeit erleben. Was wäre, wenn ein schwacher Staat seine Bürger ganz dem Schalten und Walten dieser Leute aussetzen würde?

Sag mal, hat nicht die Raubtier-Wirtschaft längst die Erziehung unserer Kinder übernommen? Vor einigen Jahren habe ich in einem Reisekatalog für Formel-1-Reisen etwas über den exklusiven Paddockclub nahe der Boxengasse gelesen.

Eins

Den Paddockclub, in dem sich die Reichen und Schönen der Welt treffen, diesen heiligen Grund darf man nur mit geputzten Schuhen betreten, weshalb man sicherheitshalber einen Schuhputzer bereithält, falls ein russischer Oligarch noch Blut und Dreck seiner Karriere an den Füßen hat oder so. Du kannst der größte Halunke auf diesem Erball sein, solange man dir nichts beweisen kann, öffnen dir deine geputzten Schuhe alle Türen. Du musst sie nicht mal eintreten, wie du es früher vielleicht gemacht hast.

Die Überbetonung der Äußerlichkeit geht einher mit einem Verlust an Sozialfähigkeit. Und darauf werden bereits die Kinder getrimmt. Von allen Seiten wird getutet und geblasen, was sie unbedingt haben müssen, um ein glücklicher Affe zu sein. Erstklässler beginnen schon, sich zu stylen, Kleidung und Schulzeug müssen von bestimmten Marken sein, und wer da nicht mithalten kann oder will, ist ein Verlierer oder Außenseiter. Echt, ich habe nicht die geringste Lust, das weiter auszumalen. Sonst kriegen wir hier im kalten Schatten das Grausen. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank hat jetzt ausgeführt, dass (wohl übertragen gemeint) die Eltern die Schuld an der Finanzkrise tragen. Sie erziehen ihre Kinder nicht mehr, bringen ihnen keine Moral und kein Selbstwertgefühl mehr bei. Übersetzt heißt das: Unsere Elternhäuser bringen charakterliche Wracks hervor, die sich später von Banken- und Wirtschaftsbossen zu Raubtierpraktiken verführen lassen. Da trifft natürlich die Wirtschaft keine Schuld. Wenn sich ihnen nur Charakterschweine andienen, was sollen sie machen? Zum Glück können die Verantwortlichen ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Dort wird ihnen dann die hohe Schule der Niedertracht beigebracht, damit sie lernen, den Pöbel zu bändigen, der in der rauen Welt ganz unten heranwächst.

Tut mir leid, ich hätte dir sagen sollen, dass uns im Talgrund Sumpf und Schlamm erwarten. Wir haben immerhin den kürzesten Weg hindurch genommen, den ich grad mal finden konnte. Dort drüben führt ein Steg zum Teich. Wir können auf der Bank sitzen, bis die Sonne hinter dem Lousberg verschwunden ist. Der Blick auf Teich und Hangwiese entschädigt für den schwierigen Abstieg. Und sitzt du hier eine Weile, dann kommt dir das ganze Debakel gleich unwirklich vor. Leider kann ich keine Witze erzählen. Ich vergesse nämlich auch von den besten Witzen immerzu den Anfang, den Mittelteil und dann den Schluss.

Wie es wirklich ist, sehen wir früh genug. Mag noch gar nicht dran denken. Wenn wir die Lichtung umrundet haben, steht der Aufstieg an. Da sind die schlammigen Wege von schweren Maschinen zerfahren, und kreuz und quer liegen gefällte Bäume und Knüppel. Trittsteine finden sich kaum. Wir müssen selbst Hand anlegen und wenigstens das Gestrüpp wegräumen. Das geht hier leichter als in der Gesellschaft. Ihr Zustand ist ja nicht rein versehentlich so erbärmlich. Die mit dem wirklich großen Geld bestimmen dieses Geschehen und nehmen die Verelendung vieler Menschen billigend in Kauf. Und selbst demokratischen Regierungen sind zu schwach, ihnen zu widerstehen. Denn die meisten von uns tun sich raus. Wir lassen die Politiker wurschteln und wollen uns nicht für eine menschenwürdige Gesellschaft einsetzen. Viel zu anstrengend. Wir betrachten am liebsten die Oberflächen, solange wir uns darin gespiegelt finden. Wo die Trittsteine wackeln, sucht jeder seinen eigenen Weg. Das nennt sich Individualismus. Wie können aber so viele Individualisten vorankommen, ohne den Park zu zertrampeln? Die Macht der Kirche ist dahin, und die Macht des Geldes ist Sumpf, Schlamm und tiefer Kot. Da soll uns niemand erzählen, das sei der beste Weg für die Gattung Mensch. Wenn wir wieder hinauf wollen, müssen wir politisch denken und sozial handeln, und zwar möglichst bald, bevor wir bis zum Hals und so ...
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Merkel kriegt Karlspreis an den Hals

Aus technischen Gründen hier:
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Bitte packen Sie sich möglichst viele Fisimatenten in den Kopf

Neue-SektenGerade wollte ich loswettern gegen Bildungsentertainment, das die Köpfe der Menschen mit nutzlosem Wissen zukleistert und sie vom Selbstdenken abhält, wupp, geht mein Rechner in die Knie. Aus, vorbei, ich muss wieder zum Kartoffeldruck zurück, ein Bettlaken bestempeln und es aus dem Fenster hängen lassen. Und alle werden hoch schauen und denken: Was wohnt denn da für ein Sonderling? Vermutlich ein Kauz, der nichts besseres zu tun hat als sich zu ereifern. Einen solchen Menschen kannte ich einmal. Den nannte ich bei mir den „Geißler der Zinsknechtschaft“. Der Mann hatte nur ein Thema, nämlich Zinsen. Sie sind des Teufels, unmoralisch, jedenfalls unrecht und daher verboten. So steht es bereits in der Bibel und im Koran.


Ach, das ist ein unerquickliches Thema. Schnell ist man bei Immobilien-, Finanz,- und Hungerkrise, und wollte man dieses Elend auch nur annähernd beschreiben, reicht ein einzelnes Bettlaken nicht. Zum Glück geht mein Rechner inzwischen wieder, und ich kann meine Meinung sagen, ohne dass Passanten bedauernd den Kopf schütteln. Vielleicht hätte sich aber der eine oder andere Passant Gedanken gemacht, was die Zweckentfremdung des Grundnahrungsmittels Kartoffel betrifft. Lebensmittel zu vergeuden, ist dem postmodernen Menschen längst zur zweiten Natur geworden. Und jetzt reibt er sich verwundert die Augen, dass auf der Welt tatsächlich der Hunger wächst. Als wäre es nicht die logische Folge der Gedankenlosigkeit zugemüllter Köpfe, des globalisierten Irrsinns der unkontrollierten Finanzmärkte, der hemmungslosen Profitgier und der schwächlichen Regierungen dieses Planeten.

Uff, ich bin vom Thema abgekommen. „Das Goethe-Institut und der Deutsche Sprachrat haben in den vergangenen Monaten das beste eingewanderte Wort gesucht. Rund 3500 Menschen beteiligten sich an dem Wettbewerb. Am häufigsten vorgeschlagen wurden Fisimatenten und Tohuwabohu. Das beste eingewanderte Wort wird am Freitagabend in Berlin gekürt“, meldet der Tagesspiegel heute. Wirklich, da finanziert der deutsche Steuerzahler prächtige Fisimatenten, wenn Wörter gekürt und prämiert werden wie Thüringer Würste. Erfreulich ist die Tatsache, dass sich nur 3500 Verwirrte an der Wortwurstprämierung beteiligt haben. Doch wie klein das öffentliche Interesse an diesem Schnickschnack auch ist, das hindert die Presse nicht daran, darüber zu berichten. So werden Themen gemacht, und für die massenhafte Verbreitung dieses Quarks werden stattliche Bäume gefällt, bis die Erde nur noch ein einziges Tohuwabohu ist, nämlich wüst und leer. Dabei hätte es im Falle von Tohuwabohu und Fisimatenten auch ein aus dem Fenster des Goethe-Instituts gehängtes Bettlaken getan.

Guten Abend

(Fotos: Danni, Animation: Trithemius)
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1a rangewanzt

politische-BildungVielen Dank, ARD,

für diesen Beitrag zur politischen Bildung. Da soll niemand behaupten, das öffentlich-rechtliche Fernsehen würde GEZ-Gebühren verplempern und seinen Bildungsauftrag nicht erfüllen. „Die wichtigste Wahl des Jahres – Vote for Music“ ist die ultimative Antwort auf öde Landtagswahlen in Niedersachsen, Hessen, Hamburg und demnächst in Bayern. Politik ist was für Schnarchsäcke. Die Zukunft der Jugend liegt nicht in politischer Teilhabe, sondern im Herunterladen von Klingeltönen und in der Vorbereitung auf Castingshows. An diese Zielgruppe muss man sich rechtzeitig ranwanzen, bevor die ollen Volksmusik-Liebhaber weggestorben sind - im Zirkus des schlechten Geschmacks.
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Weggucken kann doch jeder

zirkus des schlechten GeschmacksHabnsenichwatlustiges auf Lager oder was fürs Gemüt, dass man sich hübsch in Ihren Text vertiefen kann und für eine Weile dem grauen Alltag entfliehen? Ich habe nämlich Feierabend und scheue mich, in Ihrer Furche zu trotten, wenn Sie jetzt unbedingt noch einen schweren Acker pflügen wollen. Schreiben Sie was Leichtes, einfach so, dass der Leser merkt, wie Sie hurtig in die Tasten gegriffen und dabei hie und da ein Schmankerl rausgehauen haben. Wie, danach ist Ihnen grad mal nich? Das kann doch jeder sagen, oder denken Sie vielleicht, es macht mir Vergnügen, auf Sie einzureden wie auf einen müden Gaul? Trotzdem mache ich es, obwohl ich im Augenblick lieber einen leichten Text von Ihnen lesen wollte.
Gestern in der Münchner Runde des Bayerischen Rundfunks vertrat Christine Scheel, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, die Ansicht, die Linke sei nicht regierungsfähig. Frau Scheel ist auch Mitglied im Verwaltungsrat der staatlichen Förderbank KfW, die Großaktionär der IKB ist. Die IKB hat sich im US-Immobiliengeschäft verspekuliert, so dass sie mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln gerettet werden muss. Der Aufsichtsrat hat nichts von den riskanten Geschäften der IKB gewusst, und die verantwortlichen Politiker haben auch nichts gewusst.

Sich fürs Nichtwissen fürstlich bezahlen zu lassen - wieso sollten die Mitglieder der Linken das nicht können, Frau Scheel? Das kann doch jeder. Von Steuerflüchtigen zu wissen und Krokodilstränen zu vergießen, wenn welche sich beim Verschieben ihrer Vermögen erwischen lassen, aber nichts Wirksames dagegen zu unternehmen, das kann auch jeder, wenn er nur gewissenlos genug ist. Es könnte auch jeder Ein-Euro-Jobber sich am Verscherbeln des Volksvermögens beteiligen, an der Bahnprivatisierung zum Beispiel, wenn man ihn nur in eine entscheidende Position ließe. Sachkenntnis ist nicht nötig. Dazu gibt es schließlich Beraterfirmen, die neuerdings sogar die Gesetzesentwürfe ausarbeiten wie das Gesetz über Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), das von der amerikanischen Anwaltssozietät Hogan & Hartson Raue ausgearbeitet wurde und das lustige Verhökern öffentlicher Immobilien an Investoren erleichtert, wie man hier nachlesen kann.
Halt, stopp. Nicht weiter durch diese Furche. Was Sie da alles aufwühlen, soll hübsch unten bleiben. Da gehören Bodendecker drüber, sonst muss ich mich heute Abend besaufen. Habnsenichwatwirklichlustiges auf Lager oder was fürs Gemüt? Heute offenbar nicht. Naja, morgen ist auch noch ein Tag.
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Anleitung zum Unbeliebtsein

1a-Geschenktipp

Schatzilein, ich hab dir etwas ganz Besonderes zum Valentinstag mitgebracht. Siebenhundertvierundsiebzig rosenduftiges Blatt erzählen dir, wie lieb ich dich hab! Und das auch noch wahnsinnig irre, nein irrsinnig billig, ach, ich bin vor lauter Rührung ganz durcheinander!

Zirkus des schlechten Geschmacks
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Herdprämie - Herdprämie - Herdprämie

Ab etwa dem 45. Lebensjahr will eine bestimmte Sorte des urbanen Mannes Modelleisenbahner werden. Mangelt es an handwerklichem Geschick, hat er, wie landläufig gesagt wird, zwei linke Hände, dann verlässt er den Modelleisenbahnclub wieder und tritt ersatzweise in eine Sprachgesellschaft ein, etwa in den Bund für deutsche Schrift oder in die Gesellschaft für deutsche Sprache. Und wie bei den Modelleisenbahner auch diplomierte Ingenieure mitmachen, so können auch Sprachgesellschaften Akademiker für sich gewinnen, zum Beispiel ältliche Professoren, die vergrämt auf wissenschaftlichen Abstellgleisen hocken. Heute meldeten die Medien, eine "Jury von Sprachwissenschaftlern" habe das Unwort des Jahres bekannt gegeben. Man hat „Herdprämie“ gekürt.

Ein unbefangener Betrachter könnte vermuten, dass sich die deutsche Sprachwissenschaft mit dem Küren von Wörtern und Unwörtern des Jahres beschäftigt, ja, dass es sogar ihre vornehmste Aufgabe ist, die Wörter des allgemeinen Sprachgebrauchs zu loben oder zu tadeln. Die Sprachwissenschaft wäre dann so etwas wie ein Wortgericht, in dem befunden wird, wie eine Sache genannt werden darf und wie nicht. Mit diesem Anspruch stünde die Sprachwissenschaft über allen, über den anderen Wissenschaften, über den Medien und über der Politik, ja, auch über den Kirchen, denn eine so verstandene Sprachwissenschaft wäre eine übermächtige Religion, die allein nach Gutdünken handelt. Sie kennt keinen Gott als ihren Auftraggeber. Ihr Auftraggeber ist die Sprache selbst, der sich auch Gott unterwerfen muss, denn mit Hilfe der Sprache kann der Mensch sogar mit Gott machen, was er will. Er kann GOTT in Versalien schreiben, GOtt mit zwei großen Anfangsbuchstaben, Gott getreu der amtlichen Rechtschreibung und zuletzt auch als einen kleinen gott.

Entschuldigung, vom Thema abgekommen. Unser Thema: Eine Sprachwissenschaft, die sich moralisierend in die Sprachentwicklung einschaltet, ist keine Sprachwissenschaft, sondern eine Religionsgemeinschaft. Wie kommt es, dass sich Sprachwissenschaftler dazu hergeben, an einem pseudoreligiösen Ritual wie der Wahl des Unwortes teilzunehmen? Es kann nur Eitelkeit sein. Denn eigentlich müssten sie wissen, dass sie spekulativen Unsinn betreiben. Sprache bezeichnet nur. Wenn ein Wort eine üble Sache bezeichnet, so liegt das Übel nicht im Wort, sondern in den realen Gegebenheiten, menschlichen Handlungen und Denkungsweisen.

Die Sprache der Politik und der Medien kennt viele Wörter, die eine bestimmte Gesinnung kennzeichnen. Diese Wörter zu verbieten oder moralisch zu geißeln ist genauso sinnvoll wie Impfung gegen Schweinepest. Man weiß nach Tilgung oder Impfung nicht mehr, wo der Pestvirus steckt. Also, froh um jedes entlarvende Wort.
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Wallfahrt auf dem rechten Weg

Wallfahrt in =>=>=>=>=> Etappen

Es gibt viele Gründe, den Jakobsweg zu gehen. Mein Grund ist anrüchig. Ich trat in einen Hundehaufen. Das fühlte sich weich und freundlich an, war aber bei näherer Betrachtung eklig. Manche sagen ja, in einen Hundehaufen zu treten bringe Glück. Vermutlich stammt der Spruch von einem faulen Hundebesitzer. So, jetzt hatte ich also dessen faules Glück am Fuß, was sich zwar besser anhört als Scheiße am Bein, mich jedoch vor die Frage stellte, wie ich das beschissene Glück wieder loswerden kann.

Da sah ich an einem Verkehrsschild die Jakobsmuschel, und ich dachte: Gut, dann mache ich es wie alle, ich laufe ich mir auf dem Jakobsweg die Sohlen ab, dann bin ich die Scheiße los. Ich bin bestens gerüstet, denn ein Pilger geht mit kleinem Gepäck. In meinen Manteltaschen habe ich ein Handy, einen Ersatzknopf, einen fünf Zentimeter langen Nagel, 17 Cent, verteilt auf drei Münzen, zwei Zuckertütchen, ein hübsch gestaltetes Notizbüchlein mit Roboter-Motiv sowie einen edlen Stift, den ich jüngst von einer lieben Freundin bekam. Natürlich sind die beiden letztgenannten Gegenstände für meinen Pilgerbericht ungeeignet, denn mit einem edlen Stift darf man keinen Scheiß in ein hübsch gestaltetes Notizbüchlein mit Roboter-Motiv schreiben. Ich tippe alles ins Handy ein - Mobloggin ist wie gemacht für Scheißberichte.

Tut mir leid, dass das Wort Scheiße hier so oft auftaucht. Ich bin ja gerade erst losgegangen, und es dauert noch eine Weile bis ich mir die Sohlen mitsamt Scheiße abgelaufen habe.

Alles am Start

Steil steigt der Weg an, und schon winkt die erste Versuchung. Ehrlich gesagt, eigentlich winkt sie nicht, das machen Häuser nur selten. Also neuer Versuch: Rechts lockt (hehe) die erste Versuchung, der Söller, in dem ich mich trefflich besaufen und eventuell allen Scheiß am Bein eines Thekenhockers abwischen könnte. Und der Rest, der noch in den Rillen steckt, stört mich nicht, wenn ich den Kanal voll habe.

Ich rufe mich zur Ordnung! Wie man sieht, ist ein Pilgerweg steil, hart und steinig, nämlich mit Versuchungen und Schwierigkeiten gepflastert. Und jetzt kommen mir auch noch zwei hübsche Frauen entgegen.

=>=>=>=>
alle-Tage-glücklichAch, wie fällt der Jakobsweg mir schwer. Ist’s denn nicht genug, dass er als Einbahnstraße beginnt? Muss an ihrem Ende bei der Kneipe zum lüsternen Bären dieses Schild so faul im Kneipenfenster lehnen? Montag - Tacotag, Dienstag - Schnapstag, Mittwoch - Hefetag, Donnerstag - Biertag, Freitag - Starkbiertak, Samstag - Longdrinktag - an allen Tagen könnte ich glücklich sein, nur sonntags nicht, was für eine Schmach.

Vielleicht fragt sich der eine oder andere Leser, wie es denn inzwischen um die Scheiße bestellt ist. Sie ist noch da, und besonders seitlich der Sohle. Mir ist übrigens etwas aufgefallen. Im Rinnstein des Jakobswegs liegen Botschaften. Die Botschaft lautet „Billig“. Das ist hübsch. Man weiß ja nicht, ob der Jakobsweg überall so gut ausgeschildert ist wie hier. So habe ich eine zweite Richtschnur. Solange ich die Botschaft „Billig“ im Straßendreck finde, bin ich auf dem Pilgerweg.

Es ist überhaupt
besser, den Blick auf den Boden zu senken, denn locken nicht ringsum alleweil die schrecklichsten Ablenkungen und oder Versuchungen? Kaffeemomente zum Beispiel, denn „Wir lieben Kaffee-Momente“, in denen schöne blonde Frauen in Wäsche vor dem Spiegel posieren. Für meinen Geschmack sollte die Wäsche nicht unbedingt die Farbe von Kaffee mit viel Milch haben. Dieser Umstand sowie das Bewusstsein, eine kotige Schuhsohle zu haben sind meine Rettung. „Kackbraun“, denke ich, reiße mich los vom Kaffee-Moment der Liebe, wende mich ab und steige weiter die Straße hinauf.

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Den fünf Zentimeter langen Nagel kann ich gut gebrauchen, denn ich will überall Ich-war-hier-Marken ritzen, auf dass die Welt sehen kann, dass auch ich den Jakobsweg gegangen bin, die innere Einkehr zu suchen, um die Ergebnisse in die Welt hinaus zu tröten. Ach nein, ich habe ein noch schlichteres Motiv. Ich will nur den Scheiß vom Fuß los werden. „Eine Reise ins innere Ausland“, verspricht das Plakat eines ausländischen Gurus, der sich nach Aachen verirrt hat, hehe. Gut, das wird bestimmt vergnüglich. Da kann ich so oft Scheiße, bekackt und Dreckswelt rufen, wie ich lustig bin, denn in meinem inneren Ausland kennt mich ja keiner.

Schon spüre ich die Befreiung von der Alltagslast, und vor lauter Übermut greife ich in die Manteltasche und schmeiße mein Geld weg. Was? Das sind ja nur 17 Cent und somit so gut wie nichts? Es ist alles, was ich habe und somit gleich viel wie eine Million, die ich weggeworfen hätte. Ja, und das wird meine Botschaft sein an die anderen Pilger, so ich welche treffe. Schmeißt das Geld weg, Leute, das macht Jux! Sind wir denn Wallfahrer zum schnöden Mammon? Nein, wir wollen den Alltagsscheiß hinter uns lassen. Nebenbei, der klebt zwar noch an meiner Fußsohle, allein, es ist deutlich weniger, weil ich eben in einem vom Leser unbeachteten Moment etwas nachgeholfen habe, indem ich den Fuß an Bodendeckern abwischte. Die sind sowieso meistens hässlich, weil es einfach nicht gut für ein Lebewesen ist, so nah am Boden zu kriechen. Richten wir uns also auf und lassen den Blick schweifen.

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entenrennenDu liebe Zeit, könnte man den Dreck der Welt doch einfach so an Bodendeckern abwischen. Ob es so viele Bodendecker gibt? Ich will nicht memorieren, was es alles an Scheiß gab im Jahr 2007. Den Rückblick spare ich mir, und dem werten Mitpilger sollte ich erst recht nicht damit in den Ohren liegen, sonst geht er nachher krumm und will gestützt werden. Dazu habe ich aber ums Verrecken keine Lust. Viel mehr will ich die Reise ins innere Ausland genießen, in dem sich nämlich prima pilgern und nach Herzenslust fluchen lässt. Hussa, ihr Weggenossen, wir sind fremde, ganz anders empfindende Wesen. Egal ob das Gras alle ist oder ob das Plumeau nass im Garten liegt, wir sind auf dem rechten Weg. Und ehrlich gesagt, die Jakobsmuschel kann mir da auch gestohlen bleiben. Denn sie zeigt nur an, wo andere bereits gegangen sind. Da geht es zu wie auf der Kölner Hohe Straße am verkaufsoffenen Sonntag. Das ist eine merkantile Angelegenheit mit schwülstiger Überhöhung und öffentlicher Selbstbespiegelung. Nichts - und drüber Glasur. Ein blödes Entenrennen, irgendwie.

O
Ogmios, du weißt wie ich die verirrten Menschen flüchte, die nach einer Reise darauf lauern, mir ihre flachen Erinnerungen in die Ohren zu blasen. Da nähe ich mir lieber den Mantelknopf an die Backe oder bohre mir ein Loch ins Knie und säe Salat rein. Ja, das darf ich hier sagen, denn wir sind im inneren Ausland, wo sogar die Polizei außer Betrieb ist. Dessen habe ich mich vergewissert.

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nein danke! Eine Luft zum Saufen, unser sonntägliches Hochamt. Und das beste ist, wir brauchen nichts, denn wir sind uns selbst genug. Liebe, Hass, Wahnsinn – vorhanden - wozu soll diese Kombination gut sein? Wir bestellen das nicht. Bitte keine neue Scheiße. Da finden wir doch lieber eine Antwort auf eine Frage, die wir nicht gestellt haben: zweiundvierzig. Bitteschön, hier geht’s lang. Übrigens, wir hätten dem Jakobsweg ohnehin nicht mehr lange folgen können. Er führt nämlich durch Frankreich, und da lassen sie uns nicht rein. Besser so.
Zum Glück

zweiundvierzig
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