Staunet und seid stumm - Die Geburt des Rundfunks auf hoher See

Heute meldete der flämische Radiosender Studio Brussel, genau vor 100 Jahren habe die erste Radiosendung stattgefunden. Am 13. Januar 1910 konnten die New Yorker über Radioempfänger eine Aufführung des Metropolitan Opera House hören.

Über die Geburtsstunde des Rundfunks in Amerika schreibt hingegen
Kurt Seeberger (Der Rundfunk; in: Stammler, Wolfgang; Deutsche Philologie im Aufriss, Band III, Berlin 1957, Sp. 666.):

"Einige Küstenschiffe an der Atlantikküste Amerikas waren 1906 mit neuen Funkgeräten ausgerüstet worden. Die Funker in den Kabinen lauschten an jenem Abend auf die üblichen Signale und Zeichen, als im Kopfhörer plötzlich die Stimme eines Mannes erklang. Dann hörte man eine Violine, hierauf wieder die Stimme des Mannes. Niemand hatte auf den Schiffen je so etwas gehört. Die Funker meldeten ihre Beobachtungen nach der neuen Station für drahtlose Telegraphie in Brant Rock (Mass.) Dort hatten sich unter Leitung von Professor Reginald Aubrey Fessenden einige Wissenschaftler zu einem Experiment versammelt.

Professor Fessenden berichtete später darüber: 'Das Programm am Weihnachtsabend war folgendermaßen: zuerst eine kurze Ansprache von mir, wobei ich sagte, was wir vorhatten, dann etwas Phonographenmusik - das Largo von Händel. Dann spielte ich ein Violin-Solo, und zwar die Komposition 'Heilige Nacht' von Gounod, die mit den Worten endet 'Staunet und seid stumm'. Ich sang einen Vers und spielte Violine dazu, weil mir das Singen nicht recht gelang. Dann kam der Bibeltext 'Ehre sei Gott in der Höhe'. Wir schlossen dann damit, dass wir ihnen 'Frohe Weihnachten' wünschten und ihnen sagten, dass wir vorhätten, am Neujahrsabend wieder zu senden.'"

Kurt Seebergers Schilderung der ersten Hörfunksendung zeigt bereits die Höhen und Tiefen des jungen Mediums. Fessendens ausgefeiltes Programm ist die Matrix für alles Kommende. Er bot einen Wechsel zwischen Musik- und Wortbeitrag sowie Live- und Konservenmusik. Geradezu programmatisch war Fessendens inhaltliche Musikauswahl: „Staunet und seid stumm“; der Titel legt die Rollen fest. Radio wird nicht als wechselseitiges Medium präsentiert, sondern als Einkanalmedium. Einige wenige senden ein Programm, und die Hörer an den Radiogeräten lauschen stumm und staunend. Sie haben weder einen Einfluss auf die Programmmacher noch auf deren willkürliche Themenwahl.

Die Reaktion der Funker zeigt deutlich, dass sie sich noch an die Rolle des stummen Empfängers gewöhnen mussten. Inzwischen wissen wir, dass wir nach dem Anhören einer Radiosendung nicht beim Sender anrufen müssen, um den Empfang zu bestätigen.

Auf der anderen Seite zeigt die Schilderung des Hörerlebnisses durch die ersten Rezipienten bereits die Schwäche des flüchtigen Mediums, die ja später noch vom Fernsehen übertroffen wird. Von dem vielfältig entwickelten Programm geht dem Empfänger offenbar das meiste direkt verloren. Was von allem bleibt: Ein Mann hat gesprochen, dann hörte man eine Violine, dann sprach der Mann noch einmal.

Betrachtet man die Bildungsbemühungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vom Schulfernsehen über „Wissen macht Ah!“ bis „Quarks & Co“, müssten die Deutschen in den Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik immer klüger geworden sein. Doch das meiste wird unmittelbar wieder vergessen. Denn über neues Wissen muss man sich austauschen können. Es müssen Rückfragen möglich sein, die möglichen Konsequenzen erörtert werden usw., damit sich jemand Neues wirklich aneignen kann. Hinsichtlich seiner Bildungsfunktion ist der Rundfunk demnach eine Fehlkonstruktion. Man hätte ihn von Anfang an wechselseitig organisieren müssen, wäre die Bildungsabsicht ernst gemeint.

Auditive und audiovisuelle Einkanalmedien wie Radio und Fernsehen sind in erster Linie Zerstreuungsinstrumente. Wissen kommt aus ihnen wie aus Gießkannen, und es ist nicht zu kontrollieren, welches Köpfchen von welchem Tröpfchen getroffen wurde und wie rasch es trocknet. Es kann ein Zuschauer dem Tagesschausprecher zuhören und am Ende nur noch wissen, welche Krawatte er getragen hat. Auch Ranga Yogeshwars zierliches Kopfwackeln bleibt nachhaltiger in Erinnerung als das jeweilige Thema seiner Sendung Quarks & Co..

Seid stummTante, Tante, da ist ein Mensch im Schrank!
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Mein surrealer Alltag (9) - Winterlied



Mein surrealer Alltag 8
Mein surrealer Alltag 1-7
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Winterlied

deutscher-winter04
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Schneechaos? Nein, Schneeschock!

Der Hamstereinkauf hat mich erschöpft. Freilich musste ich alles auf dem Rücken nach Hause tragen. Ich konnte kaum was sehen im heimtückisch leichten Schneetreiben, zumindest wenn ich die Augen geschlossen hielt. Zuletzt lag der Schnee beinah knöchelhoch, und wie ich nach Hause stapfte, dauerten mich die armen Leute, die ihren Hamstereinkauf noch aufgeschoben haben. Es ist fraglich, ob sie sich durch das beginnende Schneechaos noch zum nächsten Supermarkt durchschlagen können. Die meisten sind ohnehin geschwächt von der verheerenden Schweinegrippe oder sogar tot.

Am Montag ist gewiss kaum noch ein Durchkommen. Und wer es trotzdem schafft, kann nichts kaufen, weil die Kreditkarten nicht funktionieren. Zum Glück werden die meisten viel zu erschöpft für Randale sein und sich zum Sterben in die Ecken legen. Eines tröstet: Wer im Einkaufsparadies für immer seine Augen schließt, hat zuletzt das Glück der Erden vor der Nase gehabt. Pech nur, wenn einer beim Toilettenpapier verröchelt.

Die Heizungsthermostate habe ich in allen Räumen bis zum Anschlag aufgedreht, die heiße Dusche vernebelt schon seit Stunden mein Bad, Radio und Fernsehen plärren, die Waschmaschine dreht bei 90 Grad, bengalische Beleuchtung in allen Zimmern, - keiner soll mir nachsagen, ich hätte mich nicht ordentlich um die Klimaerwärmung bemüht. Es hat nichts genutzt, denke ich, derweil ich die verschneite Fensterbank meiner Küche abföhne, wie zum Trotz schickt uns Mutter Erde ein Schneechaos.

schneechaos

Große Sorgen mache ich mir wegen der Tageszeitungen. Was ist, wenn die Zeitungsausträger vom Schneeschock erstarrt in ihren Betten bleiben? Wer bringt uns dann die neusten apokalyptischen Nachrichten? Was nutzt es, wenn eifrige Redaktionen den vielstimmigen Chor der gewiss unzähligen Experten aufzeichnen, um uns vor der Bedrohlichkeit des Lebens zu warnen. Das hilfreiche Geschrei wird vielleicht ungehört verhallen im Schneechaos, quasi verschluckt.

Eines können wir uns freilich auch selber denken: Am Sonntag werden Millionen nicht zur Arbeit kommen. Das deutete sich heute schon an. Jahr um Jahr ist das Schneechaos immer chaotischer geworden. Und jetzt reicht die Kraft der Deutschen nur noch für fünf Tage Arbeit. Das bislang chaotischste aller Schneechaosse fordert seine Opfer. Am Wochenende wird den meisten nur leichte Hausarbeit möglich sein.

Zu meinem Bedauern wird diesen Text niemand lesen können. Ich habe einfach nicht mehr genug Strom im Haus, und das bisschen, was noch aus den Steckdosen tropft, das brauche ich, um auch die anderen Fensterbänke abzuföhnen.
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Teppichhaus-Volontär Hanno P. Schmock kommentiert: Der deutsche Außenminister trägt in der Türkei keine kurzen Hosen

„Ich bin hier nicht als Tourist in kurzen Hosen unterwegs, sondern als deutscher Außenminister. Das, was ich sage, zählt“, sagte Außenminister Guido Westerwelle in der Türkei. Damit sandte Westerwelle ein wichtiges Signal an alle Kritiker zu Hause. Westerwelles Hot Pants bleiben im Koffer. Das zählt. Von Guido Westerwelle darf man kein diplomatisches Umhertänzeln erwarten. Keine kurzen Hosen beim Staatsbesuch! Basta. Auch wenn er damit die türkische Regierung konsterniert und das türkische Volk bitter enttäuschen muss.

Freilich ist Westerwelles Absage auch eine Ohrfeige für jene, die erwartet hatten, er werde die altväterliche deutsche Diplomatie revolutionieren und wenigstens im Außenamt die kurzen Hosen einführen. Ihnen bleibt nur, auf den globalen Temperaturanstieg zu hoffen. Das sind trübe Aussichten, angesichts eisiger Temperaturen und dichter Schneedecke.

Dass nichts zählt, was Touristen in kurzen Hosen sagen, ist die weitere, bittere Erkenntnis, die uns Guido Westerwelle von der fernen Türkei aus in den Reisekatalog schreibt:

Der Tourist in kurzer Hose
labert das Bedeutungslose.


Guido Westerwelle versagt sich in der Türkei die heißen Hosen. Mancher mag es bedauern. Für den Weltfrieden ist es ein Segen. Der attraktive deutsche Außenminister setzt Maßstäbe, gewagt und trotzdem kokett. Man wird sich seinen Namen merken müssen.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
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Mein surrealer Alltag (8) - Traumgesicht

Der Schnee verdeckt derweil so manches, wovon man lieber nichts wissen möchte. Auf dem geräumten Bürgersteig liegt erneut eine dünne Schneedecke, darauf Schuhabdrücke, durch die der schmutziggraue Bürgersteig zu sehen ist. Plötzlich starrt mich aus einem Absatzabdruck ein alter Indianer an, und dann bin ich auch schon drüber weg. Typischer Fall von Hineinsehen, denke ich, denn es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass im Bürgersteig unter der dünnen Schneedecke wirklich ein Indianer liegt und sich etwa mit der Hand ein Fensterchen in den Schnee gewischt hätte. Zudem: Indianer, deren Gesicht gerade mal so groß ist wie ein Schuhabsatz, so kleine Indianer gibt’s vermutlich nicht. Trotzdem lässt mir das Indianergesicht keine Ruhe.

Was will mir das Bild wohl sagen? Mein Vorgänger, über dessen Spur ich gegangen bin, hat er etwa die Rechte der Indianer mit Füßen getreten? In Hannover sind Indianer meines Wissens niemals heimisch gewesen. Hier lebten einst die Altsachsen, davor vielleicht Kelten und noch früher mysteriöse Bandkeramiker. Wenn diese Menschen aus dem Osten zugewandert sind, dann könnten sie durchaus slawische Gesichtszüge gehabt haben, und ich habe nur gedacht, da glotzt mich ein Indianer an.

Es wäre nicht erfreulich, wenn unter dem Schnee noch mehr von den Leuten herumliegen. Wer weiß, was beim nächsten Tauwetter alles hoch kommt? Stehen dann überall in der Stadt steinalte Bandkeramiker auf, setzen sich auf den Bordstein und töpfern was?

Zum Glück soll es weiterhin schneien.

Mein surrealer Alltag 1-7
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Volontär Schmock berichtet: Tanz den Westerwelle

Seit einigen Monaten kursiert im Internet ein Videomitschnitt, worin FDP-Chef Guido Westerwelle sich entlarvt, nur unbeholfen Deutsch zu sprechen. Während einer Presskonferenz traktiert er einen tadellos Deutsch verstehenden BBC-Reporter mit der stilistisch missratenen Phrase: „Es ist Deutschland hier“. Letztlich qualifizierte sich Westerwelle mit dieser Äußerung endgültig für sein Amt als Außenminister. Erleichtert jubelte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in ihrem vierteljährlich erscheinenden Vereinsorgan Muttersprache: „Als Außenminister richtet Westerwelle den geringsten Schaden am Sprachkörper an; den Ausländern wird sein putziges Deutsch kaum auffallen.“

Dagegen ist „Es ist Deutschland hier“ bei vielen orientierungslosen Deutschen gut angekommen, war in den Monaten Oktober bis Dezember 2009 der beliebteste Klingelton und ist immer öfter auf Anrufbeantwortern zu hören, freilich nur auf denen, die in Deutschland stehen. Und auch das Ausland freut sich. In seiner noch kurzen Amtszeit als Außenminister hat Westerwelle bereits eine ganze Reihe von Ländern bereist und ihnen einen Namen gegeben: „Es ist Italien hier!“, „Es ist Israel hier!“ „Es ist Schweden hier!“, „ …Österreich!“ usw. Gut 20 Staaten wissen schon, wie sie heißen, andere stehen Füße scharrend auf der Warteliste.

Das Ausland freut sich einen Ast, unter Westerwelles Parteifreunden wächst die Sorge. So verschreckte Westerwelle beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP am heutigen Mittwoch seine Partei, als er eine „geistig-politische Wende“ ankündigte, Arm in Arm mit der CDU. Versteinerte Gesichter in den Reihen der FDP-Parteigrößen. Eine „geistig-moralische Wende“ hatte schon Helmuth Kohl im Jahr 1982 angekündigt und stracks vollzogen, zusammen mit der FDP. Eine erneute Wende brächte eine Drehung um 360 Grad und würde die Volkstanzgruppe CDU/CSU-FDP-Koalition vollrohr zurück in den Sozialismus marschieren lassen.

Noch während Westerwelle sprach, ließ der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer dementieren, er habe Rhetorikpreisträger Westerwelle einen „schwadronierenden Eintänzer“ genannt. Auch habe er nicht gesagt, Westerwelle solle lieber in die Innere Mongolei reisen und Stutenmilch schlürfen.

Es ist Schilda hier.
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1a Auto-Lobbyismus, Tagesspiegel!

Heute meldest du freudig: „Berlins Straßen sind die sichersten Deutschlands - Jedes Jahr ein neuer Rekord: Die Zahl der Verkehrstoten sinkt seit Jahren. 2009 registrierte die Polizei nur 48 Tote, so wenig wie nie zuvor seit dem Krieg. Zum Vergleich: 1999 waren es 103 Tote, 2008 noch 59.“

Mal angenommen, es findet sich wieder mal ein toter Säugling in einem Kühlschrank. Titelt ihr dann: „Deutschlands Kühlschränke werden immer sicherer“ – und weiter: „Ein neuer Rekord: 2009 ist ein Säugling weniger im Kühlschrank gefunden worden als im Vorjahr.“?

Gell, da herrscht ein bisschen Chaos im Redaktionsoberstübchen.

Schläfenschraube (landläufig "Vogel"),
Trithemius

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