Erneut vergessen - Internationaler Tag der Frau

frauenlob02
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Mensch im Mantel

Wann immer ich in den Garderobenspiegel sehe, was trage ich da? Einen Mantel. Kann mich inzwischen kaum noch erinnern, dass es einmal anders gewesen sein muss. Jedenfalls weiß ich mit Sicherheit, dass ich nicht mit einem Mantel um die Schultern geboren wurde, sondern sogar – pardon – ganz nackt war. Nicht, dass ich so auf die Straße spazieren wollte, aber wenn ich den Mantel mal weglassen dürfte, das wäre schon eine feine Sache, denn immerhin trage ich darunter noch einen dicken Pullover.

Was ist das eigentlich da draußen? Eine kleine Eiszeit? Die letzte soll vom Anfang des 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein gedauert haben. In den nasskalten Sommern verfaulte das Korn auf den Halmen, und in der Folge gab’s Hungersnöte, Hexenverfolgung, diverse Seuchen, Überschwemmungen, den 30-jährigen Krieg, blutige Metzeleien zu Hauf, die französische Revolution, und das Kölner Stadtarchiv stürzte ein. Ach nein, das war ja erst letztens.

Jetzt soll bloß kein Meteorologe daherkommen und klugscheißen, Winterwetter im Frühling sei noch kein Hinweis auf eine neue Eiszeit, weil man Wetterbeobachtung langfristig ansetzen müsse. Wenn das so ist, kann er mir auch nicht das Gegenteil beweisen. Also kusch, sonst gibt es gehörig was vors Protoplasma. Die Kälte macht nämlich schlechte Laune. Den Mantel um die Schulter tragen, das bedeutet redensartlich, dass man waffenlos daherkommt, in bester Absicht. Aber was hätte ich schon für Waffen vorzuweisen gegen die andauernde Kälte. Vielleicht müssen wir zu radikalen Mitteln greifen, ein paar eiskalte Gierhälse in Vulkane stürzen, die falschen Propheten Hans-Werner Sinn und Hans-Olaf Henkel teeren und federn, Jörg Kachelmann der Inquisition übergeben oder den Wunsch einer Nervensäge namens Sonja Zietlow erfüllen und sie zum Mond schießen, ohne Rückfahrkarte natürlich.

Zietlow bietet sich an
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Bußprediger werfen nicht mit Wattebäuschen

Es ist keine Kunst, aus dem zeitlichen Abstand zu urteilen. Wenn erst die Jahre über alles gegangen sind, kann jeder sehen, wo etwas falsch gelaufen ist, wo Fehlurteil, Verblendung und Irrsinn die Motoren waren. Letztens sah ich einen Film über den deutschen Kaiser, wie er im belgischen Kurort Spa umherstolzierte und dann verbittert ins niederländische Exil übersiedelte, weil man ihn zu Hause in Deutschland nicht mehr haben wollte, nachdem er die ganze Nation ins Grauen des ersten Weltkriegs getrieben hatte. Selten habe ich eine derart groteske, schauerliche Witzfigur gesehen, denn natürlich zeigt sich der Irrsinn einer Zeit am deutlichsten in den Anführern, in den Vorbildern und bei ihren Steigbügelhaltern und Speichelleckern. Hitler, Goebbels, Göring – sieht man sie abgefilmt, da scheinen sie einer Irrenanstalt entsprungen und man möchte nach Zwangsjacken rufen oder zumindest das tun, was in alten Slapstickfilmen eine probate Problemlösungsstrategie war: ihnen einen ordentlichen Tritt in den Hintern verpassen. Aber es bedarf schon des Künstlers, das zu sehen, während die Mehrheit noch dem gleichen Irrsinn verfallen ist und sich solche Figuren zum Vorbild nimmt. Als Charlie Chaplin in „Der große Diktator“ das alberne Getue Hitlers herausarbeitete und überhöhte, so dass es jeder ablesen konnte, da hat er das Visionäre geleistet, hat quasi die Zeit voraus gedreht und dem Betrachter die Einsicht vermittelt, die er sonst erst in der Rückschau hätte gewinnen können.

Die Deutschen tun sich schwer mit der künstlerischen Form der Satire. Trifft eine Satire hart auf den Solarplexus, dann schreien auch jene auf, die gar nicht gemeint sind. Dann wird Tucholsky zitiert, der gefragt hatte, was Satire darf und „Alles!“ befunden hatte. Ja, heißt es dann, Satire darf alles, aber doch nicht so. Denn wirklich treffen darf sie nicht, sondern nur ein bisschen zanken. Den Eliten ist die harmlose Satire am liebsten, denn sie schadet ihnen nicht, trägt im Gegenteil zu ihrer Popularisierung bei, schmeichelt sogar ihre Eitelkeit. Dann reiben sie sich vergnügt die versoffene Nase und suchen grinsend die Kameraobjektive wie alljährlich bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst zu sehen. Und so erwarten sie es auch beim alljährlichen „Derblecken“ am Nockherberg. Ein bisschen Parodie ist fein, aber wehe, es geht ihnen ans Fell, es macht einer einen ordentlichen Holzschnitt und haut ihnen die miese Gesinnung gestrichen um die Ohren, die sie sonst mit rhetorischen Finten zu verbergen verstehen.

Der Herr Guido Westerwelle will nicht mehr eingeladen werden zum Münchner Nockherberg. Er ist beleidigt. Denn der Schauspieler Michael Lerchenberg in der Rolle als Bußprediger Barnabas hat über ihn folgendes gesagt: "Alle Hartz-IV-Empfänger versammelt er in den leeren, verblühten Landschaften zwischen Usedom und dem Riesengebirge, drumrum ein großer Zaun.“ Über dem Eingangstor werde "in großen eisernen Lettern" stehen: "Leistung muss sich wieder lohnen."

Yo, das ist hart, ein unerlaubter Vergleich, politisch nicht korrekt. Den Holocaust darf man nicht benutzen, um eine miese Gesinnung zu kennzeichnen, findet der Zentralrat der Juden und protestiert. Die Verlierer der neoliberalen Politik sind in der Tat nicht an Leib und Leben bedroht. Eine kollektive Vernichtung droht ihnen nicht. Aber sie stecken in schweren Nöten, denn sie werden von Westerwelle und Konsorten geschmäht, von den Medien über den Löffel barbiert, ihrer Menschenwürde beraubt, und das nicht etwa, weil sie den Bestand unserer Gesellschaft gefährden wie gierige Finanzjongleure, gewissenlose Banker, gleichgültige Unternehmensvorstände. Nein, Leuten wie Westerwelle geht es allein um Machterhalt und Schutz der eigenen Wählerklientel. Da greift er zu einem Mittel, das schon immer geholfen hat, sucht die Schuldigen für gesellschaftliche Fehlentwicklungen in einer Minderheit, die sich isolieren lässt und nur wenige Fürsprecher hat. Er drischt auf die Schwachen ein und schert sich einen Dreck um die tatsächlichen Verhältnisse. Da wird man doch einmal fragen dürfen, was mit diesen Menschen eigentlich werden soll, welche Perspektive man für sie vorgesehen hat und wo eine Gesellschaft enden könnte, die mit den Schwachen umgeht, als wären sie eine Sorte Sondermüll.

Der Zentralrat der Juden befürchtet eine Banalisierung des Holocaust. Doch in die Zukunft schauen kann er nicht, kann nicht garantieren, dass sich Ähnliches nicht wiederholt. Wir wissen nicht, welche Fehlentwicklungen durch neoliberales Denken angestoßen werden. Deutschland ist gemessen an Ländern der dritten Welt noch immer ein Paradies. Doch weltweit ist zu beobachten, wie im Namen des entfesselten Raubtierkapitalismus ganze Volksgruppen bis aufs Blut ausgebeutet werden, in Lagern verhungern oder hingemetzelt werden von verbrecherischen Regimen, die gute Beziehungen zur EU und den USA unterhalten, weil man mit ihnen Geschäfte machen kann. Wir erleben im Zuge der Globalisierung eine Nivellierung der Lebensverhältnisse nach unten. Es gibt wenige Gewinner und immer mehr Verlierer. Wo wir in Deutschland in 25 Jahren stehen, wie dann umgegangen wird mit den Verlierern des gnadenlosen Profitstrebens, das weiß auch der Zentralrat der Juden nicht. Und darum sollte er sich auch nicht aufregen, wenn ein düsteres Bild gezeichnet wird, damit es sich die Entscheidungsträger unserer Gesellschaft als Mahnung hintern Spiegel stecken können. Denn nachher zu wissen, ab wann eine Sache falsch gelaufen ist, das ist wie gesagt keine Kunst.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
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Effizientes Flippern im schwarzen Dress

Schon im Jahr 1922 wünschte sich der Schriftsteller Alfred Polgar von der Schreibmaschine: „Die Entwicklung muss hier, wie bei jeder Maschine, dahin streben, die notwendige menschliche Mitarbeit immer mehr und mehr einzuschränken. Der Tag, an dem es gelungen sein wird, den Schriftsteller ganz auszuschalten und die Schreibmaschine unmittelbar in Tätigkeit zu setzen, wird das große Zeitalter menschlicher Dichtkunst einleiten.“

Dieses große Zeitalter ist ja längst angebrochen, seitdem wir über den Computer verfügen, den Umberto Eco schon in den 80ern zur "spirituellen Maschine" erklärt hat. Also lasse ich die Finger über die Tasten eilen, ohne sie von kruden Gedanken stören zu lassen, und berichte über die weltweit größte Demonstration mannigfaltiger Bestrebungen, den menschlichen Geist weitgehend überflüssig zu machen und den Rest zu steuern. Wie sich jeder ohne Anstrengung denken kann, geht's um die CeBIT 2010. Hier zeigen sich zwei große Tendenzen, beide nicht neu, aber immer ausgefeilter:

Erstens sollen Hard- und Software zunehmend übernehmen, was der Mensch früher mit seinem Kopf bewerkstelligen musste, sogar als intelligentes Verhalten angesehen wurde, und weil die Maschinen inzwischen so ungleich schneller und genauer sind als er, kann er am Ende nicht mehr sicher sein, ob er wenigstens noch zum Kaffeeholen taugt, ohne zu schlabbern. Was Programme so alles können und wie sie zu bedienen sind, erfährt der geneigte Fachbesucher in diversen Auditorien. Da agieren Moderatoren mit Mikrophonen vorm Maul, von Kameras abgefilmt und überhöht, vor und auf Displays groß wie Hauswände, und man sieht wie hie angeklickt, da etwas eingeben wird oder wie ganze Elemente von einer Ecke der Bedieneroberfläche in die andere gezogen werden, worauf weitere Pop-Up-Fenster aufspringen und damit vor allem eines zeigen: Die Software ist ein nicht auszulotendes Universum. Glücklich, wer sich nicht darin verrennt, sondern eine Weile zu tun imstande ist, was das Programm von ihm verlangt.

Um was es geht, das tönt aus allen Lautsprecherboxen: „Effizienz“. Das Wort bedeutet etwa „bestmöglicher Wirkungsgrad“, „besonders wirtschaftlich“. Man ahnt, wie sich die Leute fühlen, die vor dem Geflimmer der Riesendisplays sitzen wie Ochsen vorm Berg, mal aufs Klo müssten oder Hunger haben, schon eine Weile nicht mehr mitkommen, weil ihnen neue Fachtermini nur so um die Ohren fliegen und alles viel zu rasch aufeinander folgt. Die überwiegend männlichen Zuschauer lernen hier vor allem eines: Besonders wirtschaftlich sind sie nicht, wenn sie kaum die Hälfte mitkriegen und den Rest auch noch vergessen, sobald eine der aufgezäumten Messehostessen vorbeistöckelt. Effizienz ist das dem Menschen unerreichbare Ziel, denn egal, welche Bedienungsvorschriften er sich auf die unzulängliche menschliche Festplatte schafft - schon im nächsten Jahr wird man ihm zeigen, dass alles noch viel effizienter geht.

cebit2010

Immerzu hinterher zu hecheln und ständig in Gefahr, abgehängt zu werden, das deprimiert, und so erklärt sich der allgemeine Dresscode: Schwarzer Anzug. Die langhaarigen Garagentüftler sind Technikgeschichte, und die digitalen Bohemiens sind längst in einer ineffizienten Zeitblase gestrandet, wo sie ein bisschen an sich und ihren digitalen Gimmicks herumspielen dürfen. Den Ton geben die Technokraten und Ingenieure an, und die servilen Maschinendiener geben auch das Tempo vor. Im Gewusel der Messebesucher überwiegt schwarz, und hier unterscheidet sich der Inder nicht vom Japaner, der Turkmene nicht vom Spanier oder Brandenburger. Aber was man ganz und gar nicht sieht, sind Schwarzafrikaner. An Computertechnologien haben sie offenbar keinen Anteil. Der schwarze Kontinent ist ein weißer Flecken auf der digitalen Landkarte, ein ganzer Kontinent ist längst abgehängt und folglich hoffnungslos ineffizient, nicht mehr zu retten.

Der zweite Anschlag auf den menschlichen Geist ist weit radikaler. Es geht um die totale Vereinnahmung des Menschen, um die Anpassung des Menschen an die Maschine. Sie beginnt schon mit dem Einlass. Du kannst nicht einfach eine Eintrittskarte kaufen und durch eines der Drehkreuze spazieren. Du musst dich zuerst über ein Terminal registrieren, deinen Wohnort und die E-Mail-Adresse preisgeben, das Unternehmen benennen, von dem du geschickt worden bist, und hinsichtlich seiner Größe klassifizieren, deine Funktion angeben. Irgendwo wird dein Name auf ein Kärtchen gedruckt, und danach tritt eine freundliche Hostess an dich heran und händigt dir einen Anhänger mit Hosenträgerklammer aus, den du tragen musst, als wärst du ein wandernder Kartoffelsack. Seitlich befindet sich ein Scan-Code, und wo du überall gescannt wirst, weißt du nicht. Offenbar will man jederzeit wissen, wo der Kartoffelsack unterwegs ist. Ein Wunder, dass dem Messebesucher noch kein RFID-Chip untergejubelt wird, mit dessen Hilfe sich ein komplettes Bewegungsbild erstellen lässt.

Am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung setze ich mich an einen Flipper. Und wie ich noch nach den Bedienknöpfen taste, tritt eine Dame hinzu und erklärt, dass man diesen Flipper nur mit Gedanken steuern könne. Tags zuvor habe ein junger Mann auf meinem Platz gesessen, etwa eine Dreiviertelstunde sein Gehirn trainiert, und dann habe er flippern können, ohne seine Hände zu benutzen. Nur etwa 70 Prozent der Menschen seien in der Lage, gedanklich zu flippern; - wer hätte das gedacht. Das wirft die Frage auf, was werden soll mit den 30 Prozent mentaler Flipper-Analphabeten. Kann sich die digitale Gesellschaft auf Dauer leisten, diese Versager durchzufüttern? Wer seine gedanklichen Abläufe nicht auf einfaches Links-Rechts und Ja-Nein konditionieren kann, wozu soll der noch gut sein?

Die gedankliche Steuerung von Flippern, Computern, Flugzeugen oder Waffensystemen funktioniert nur ohne Wenn und Aber. Wer zweifelt, wer sich ein Vielleicht vorbehalten möchte oder noch mal in Ruhe drüber nachdenken, ist nicht maschinenkompatibel. Unsere Schulen werden ein neues Denken lehren müssen, das Denken der reinen Zweckbestimmung. Dann, und das ist ein Grund zum Jubeln, dann erklärt sich alles zum gedanklichen Ballast, was Sand ins Getriebe der Mensch-Maschinen-Interaktion streuen könnte: Das üble Zweifeln, die quälerischen Sinnfragen und das ganze Gedöns können wir getrost vergessen. 70 Prozent der Menschheit geht herrlich effizienten Zeiten entgegen. Und der Rest hat frei.
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Vor einem Jahr - Mit dEUS in den Vorfrühling



Hannover zwischen Leine und Maschsee, vom Fahrrad aus gesehen.
Viel Vergnügen! (Nach Start bitte 480p anklicken, sieht besser aus)
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Orbs verschmähen modische Krawatten

Vorsorglich bitte ich um Entschuldigung, wenn ich den geneigten Leser an einen kalten Winterabend im Jahre 2008 entführe. Ja, muss das denn sein, haben wir nicht die Nase voll von Dunkelheit und Kälte? Könnte der Autor nicht ein bisschen dichterische Freiheit walten lassen und seinen Bericht an einen lauen Frühlingsabend verlegen? Leider nicht, denn bei der Sache ist absolute Wahrhaftigkeit erforderlich. Wir brauchen sicheren Grund; die Fakten müssen stimmen, sonst verlieren wir uns Hand in Hand im Spekulativen.

Es ist also dunkel und nicht wirklich kalt, sondern saukalt. Eisiger Dunst hängt in der Luft. Ich atme in meinen Schal und schreite wacker aus, denn ich will meine neue Digitalkamera ausprobieren. Vor mir ragte der riesige Klotz der ehemaligen Hanomag-Fabrik in den Nachthimmel. Vom Baumarkt drüben fällt ein wenig Licht auf die Front, das spiegelt sich in den matten Fenstern. Bin gespannt, ob meine Kamera das einzufangen versteht. Die ersten Versuche sind enttäuschend, das kann ich sogar ohne Brille auf dem Display sehen. Ob der Blitz bis zum Gebäude reicht? Das tut er nicht. Stattdessen zeigt das Foto unzählige Schneeflocken. Ich vergleiche das Bild auf dem Display mit der Wirklichkeit, aber da ist kein Schnee, nicht ein Flöckchen fällt aus dem eisigen Himmel. Auch das Säubern der Linse hilft nicht. Sobald ich blitze, tauchen die Flocken auf. Meine neue Kamera muss eine Flockenmacke haben, denke ich und mache auf dem Nachhauseweg noch ein paar Mackenbilder.

Zurück in die Gegenwart. Am vergangenen Sonntag bekam ich eine E-Mail von Jeremias Coster, dem Professor für Pataphysik an der Technischen Hochschule Aachen. Coster fragte mich, ob ich schon einmal von Orbs gehört hätte. Er sei ganz begeistert von diesen geisterhaften Erscheinungen. Die Allwissende Maschine Internet klärte mich auf. Orbs sind seltsame Lichtflecken auf Digitalfotos. Und ich las hier und hier, das Orb-Phänomen werde schon längst von Grenzwissenschaftlern und Kornkreisforschern untersucht, denn Orbs sind vielleicht oder sogar höchstwahrscheinlich, zumindest aber eventuell verirrte Geister aus der Zwischenwelt, ggf. sogar die astralen Ausscheidungen von Engeln.

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Als Skeptiker schrecke ich sogleich zurück, wenn es heißt, eine Sache werde in Korntrinkerkreisen erforscht. Von Coster weiß ich allerdings, dass er sich an die Fastenzeit hält und derzeit dem Alkohol entsagt. Ich rief ihn also an und fragte ihn, was er von diesen Theorien hält. „Ich bin völlig überzeugt, dass Orbs die Abbilder von Engeln sind!“, sagte Coster. Er habe sie sogar auf Fotos von Familienfesten entdeckt. Das erlaube nur einen Schluss, ja, beweise zwingend: „Die Verstorbenen wollen mit ihren Lieben feiern.“

Ratlos legte ich den Hörer auf. Wie zum Teufel gießen die feiernden Engel sich die geistigen Getränke hinter die Binde, wenn sie gar keine haben?
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Mein surrealer Alltag (11) - Fieberschübe

Nachts drehe ich mich von einer Seite auf die andere, alle Knochen schmerzen, die Augen brennen, und mein Brustkorb ist wie ein Zwinger, in dem ein vernachlässigter Hofhund hockt. Der gibt und gibt keine Ruhe. Immer wieder und ohne Anlass bellt er mich lang und ausdauernd an. Erzähle mir keiner, dass bellende Hunde nicht beißen. Der hier wütet in seinem Käfig wie Sau, verbeißt sich in meiner Brust und reißt mir wie toll am Rippenfell. Nicht auszudenken, wenn das Untier die Gitterstäbe knackst und sich befreit. Vor einigen Jahren ist's beinah passiert. Da erlitt ich eine Hustenfraktur. Bis dahin kannte ich das Wort nicht mal, und auch mein Orthopäde sagte, er nehme es nur selten in den Mund. Um eine erneute Hustenfraktur zu verhindern, verspannt sich alles, auch mein armer Bauch, was mir wiederum einen ordentlichen Muskelkater beschert. Schon jetzt zeigt mir der Spiegel einen erfreulichen Nebeneffekt. Nicht mehr lange und ich habe den Waschbrettbauch, für den andere wochenlang ins Fitnessstudio gehen, einfach so herbeigehustet.

Und ach, der Berührungsschmerz der Haut, - sogar in den Wurzeln meiner Brustbehaarung sind kleine böse Geister erwacht, um sich einzureihen in die Schar meiner Peiniger. Was soll das, ungetreues Pack? Es schickt sich nicht, den eigenen Wirt zu quälen. Ich habe den Haaren schon angedroht, sie vor die Tür zu setzen, sie zu rupfen oder auszureißen, wenn sie sich nicht benehmen. „Man kann auch einen Bären zanken!“, habe ich gesagt. Aber es schert sie nicht. Entweder haben sie meine trichotillomanische Drohung nicht verstanden oder sie haben mich nicht ernst genommen, weil ich einfach zu schwach und hinfällig wirke, unfähig, eine grobe Gewalttat zu vollbringen.

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Wie beim Schüttelfrost die Eiseskälte in Gluthitze übergeht, das ist recht unterhaltsam. Schon immer haben mich Unwetter fasziniert. Die unbändige Kraft der Natur lässt einen erbeben. Es gibt wie im Auge des Orkans auch hier einen Ort der Ruhe, einen Augenblick des Behagens, wenn man sich nämlich gerade warm gezittert hat, wenn das Zähneklappern langsam verebbt. Doch dann wird von irgendwo „Zugabe!“ gerufen und „Heizt den Kessel kräftig ein!“ „Bitte keine Verschwendung der Ressourcen!“, will ich noch einwenden, doch ich bin einfach zu schwach, die durchgeknallten Heizer aufzuhalten. Der Holzstapel hinterm Haus hätte für einen ganzen langen Winter gereicht, jetzt jagen sie ihn in einer Nacht durch den Kamin.

Wenn das
Ofenrohr brennt, wenn die Silberbronze leise knisternd Blasen treibt, um Plättchen für Plättchen abzuplatzen, dann geht es in meinem Kopf ziemlich drollig zu. So glaubte ich vor zwei Nächten, meine Adern und Venen, mein gesamter Kreislauf wäre das Hannöversche U-Bahn-Netz. Schon stand ich an einem Bahnsteig, wollte meinen Besitz inspizieren und mich vom ordnungsgemäßen Ablauf des U-Bahnverkehrs überzeugen. Die Bahn rollte heran und war zu meinem Erstaunen völlig überfüllt. Man ließ mich freilich bereitwillig ein, die im Gang Stehenden rückten geflissentlich zur Seite und machten ein Gasse auf. Alle Blicke wandten sich dem hinteren Ende zu. Im hellen Licht saß da beim Fenster eine attraktive Frau, und neben ihr war ein Platz für mich reserviert. Stumm komplimentierte man mich hin, und wie ich näher komme, ist’s die ehemalige Bischöfin Käßmann. Sie legte mir, sobald ich saß, sogleich ihre kühlende Hand auf die Stirn. Da sagte ich: „Danke, Frau Käßmann, jetzt können wir endlich in den Frühling fahren.“ Das war natürlich Unsinn, denn wenn man mit einer U-Bahn durch das System meiner Adern und Venen fährt, sieht man vom Frühling so gut wie gar nichts.

Solche Fieberphantasien sind, genau besehen, nicht weit entfernt von den realen Abläufen in der Welt, sollten sie denn wirklich so sein, wie sie das Fernsehen spiegelt. Würden meine Fieberfantasien über Nacht mit dem Mediengeschehen vertauscht, keiner tät’s merken. Einmal habe ich aus Not und um mich abzulenken mehrere Stunden ferngesehen. Manche tun sich das täglich an und sogar nachts. Es ist eines der großen Mysterien des Lebens, warum sie nicht irgendwann schreiend aus dem Haus laufen.
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Erneuter Scheckschwindel - Westerwelles Millionen

Westerwelles Millionen

Schon wieder hat Teppichhaus-Volontär Hanno P. Schmock einen Riesen-Scheck-Schwindel enttarnt: Diesmal traf es den ehrenwerten FDP-Chef Guido Westerwelle und Hochwohlgeboren August Baron von Finck (Mövenpick). Aber was stimmt hier nicht? Die unverschämte Fotomontage ist der billige Abklatsch einer berühmten Collage des Dadaisten John Heartfield. Bitte klicken und treten Sie dAdA rein.

Lesetipp zum Thema: Raumgewinner
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