Volontär Schmocks unterhaltsames Magazin (1)

EDITORIAL

Liebe Kundinnen und Kunden des Teppichhauses,

Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Diese uralte Kalenderweisheit musste auch Teppichhaus-Volontär Hanno P. Schmock am eigenen Leib erfahren, als ich ihn aus purer Laune dazu zwang, ein neues Internet-Magazin als Gif-Grafik zu konzipieren. Das Magazin sollte unterhaltsam, lehrreich und typografisch ansprechend sein, Überraschendes bieten und die besonderen Lesegewohnheiten des Internetnutzers berücksichtigen. Schmock hätte lieber in der Teppichhausfiliale staubgesaugt, als so eine schwierige Aufgabe zu übernehmen. Aber die Sorge um den Arbeitsplatz trieb ihn an, zähneknirschend schlug er sich Nachtstunden um die Ohren und präsentierte heute das Ergebnis. Schauen und urteilen Sie selbst, erleben Sie die Weltpremiere des ersten unterhaltsamen Schmock-Magazins im Internet.

Viel Vergnügen,
Ihr
Trithemius

Schmocks-Magazin-1
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Teppichhaus Musiktipp - Kate Nash; Do Wah Doo

Schönes Wochenende

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Ende der Freiheit? Oder: Wer mir den freien Willen bestreitet, hat selber keinen

Da war eine Jazzband auf der Bühne im Lichthof der hannöverschen Leibnizuniversität. Fünf reifere Herren und eine Frau spielten populäre Stücke nach, aber nicht im Originaltempo, sondern langsamer als der Schall. An der Trommel saß ziemlich lustlos ein junger Mann. Er hatte viel Zeit zwischen den einzelnen Schlägen. Leider sah ich ihn nur verdeckt, aber ich vermute, er löste nebenher ein Kreuzworträtsel. Seine älteren Kollegen dagegen hatten Spaß an der Sache und wippten sogar im Rhythmus. Er war auch für Herzschrittmacher ungefährlich und somit gut gewählt.

Denn das Publikum war überwiegend betagt und sehr gut situiert. Gebildete Männer mit Frau sowie umgekehrt und als Duett. Hie und da saßen Studierende, aber sie waren in der Minderzahl. Das Thema der Podiumsdiskussion scheint junge Leute kaum zu interessieren, es lautete: „Ende der Freiheit?“ Dabei ging es um die Befunde der Hirnforschung, dass der Mensch nicht wirklich über einen freien Willen verfüge, und um die Frage, wie sich diese "Erkenntnis" auf die Rechtsordnung und auf unsere Vorstellung von Strafe auswirke.

Vielleicht waren
einige Zuhörer gekommen, um sich vom freien Willen freisprechen zu lassen, weil sie beispielsweise Schwarzgeld in der Schweiz gebunkert haben. Sie könnten dann sagen: „Was kann ich dafür, wenn meine mir leider unbewussten neuronalen Prozesse mich dazu gebracht haben, mein Geld in die Schweiz zu bringen?“ Andere waren da, die sich den freien Willen nicht nehmen lassen wollen, zumindest nicht von Hirnforschern, die sich selbst den freien Willen absprechen.

Podiumsdiskussion

Ich hätte gedacht, das Thema ist längst durch, aber da tönte der Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel (rechts im Bild) vollmundig vom Podium herab: „Wir haben ein ernstes Rechtsproblem, und wer das nicht auch so sieht, muss seinen Standpunkt ändern!“ Ein Mikrophon ist eine feine Sache. Es heiligt auch den übelsten rhetorischen Trick, denn was laut durch den Saal tönt und machtvoll in alle Ohren dringt, kann es denn falsch sein? Dürfte der Mann überhaupt ans Mikro, wenn er nichts zu sagen hätte? Manchmal schon, das muss man sich vor Augen halten, wenn der akustische Filter von einem Lautsprecher übertönt wird.

Haben wir tatsächlich ein ernstes Rechtsproblem? Was hat die Hirnforschung herausgefunden? Millisekunden bevor ein Mensch in ein Mikrophon spricht, wurde das unbewusst schon geplant. Der Sprecher glaubt nur, er habe sich entschieden, etwas Wichtiges zu sagen. In Wahrheit sind tief verborgen in seinem Hirn unbewusste neuronale Prozesse abgelaufen und haben ihn dann zum Großsprecher gemacht, bevor er überhaupt dachte: „Alle sollen hören, wie toll ich bin!“ Und wenn jetzt seine neuronale Verdrahtung so beschaffen ist, dass er gar nicht so Wichtiges spricht, wie er glaubt, ja, dann kommt immer nur eitler Quatsch heraus. Da kann er wollen wie er will. Denn eigentlich ist er nur das willenlose Opfer seiner speziellen neuronalen Verdrahtung. Soweit die Ergebnisse der Hirnforschung.

Hat sie wirklich etwas Neues erbracht? Was haben wir denn geglaubt, bevor die Hirnforschung mit ihren Befunden anrückte? Dachten wir, der freie Wille sitzt nicht im Kopf, sondern vielleicht im Bauch? Da wird verdaut und gefühlt, aber nicht logisch gedacht. Oder dachten wir, unser wollendes Ich befindet sich gar nicht in unserem Körper, sondern wäre ein Geist ohne Materie, der wie ein Nimbus über uns schwebt? Wie soll ein solcher Geist denken und womit? Information braucht doch ein Medium, damit sie fließen kann.

Der freie Wille muss also im Netzwerk unseres Gehirns entstehen. Damit das geht, müssen im Netzwerk neuronale Schaltprozesse ablaufen, und zwar rasch, damit der Mensch auch auf plötzliche Einflüsse angemessen reagieren kann. Diese Entscheidungen werden erst auf höherer Ebene in Sprache übersetzt, so dass wir die Dinge im Nachhinein denken und erfassen können. Es war nie anders, - für diese Erkenntnis ist nicht einmal moderne Hirnforschung nötig. Wenn also von dieser Tatsache hergeleitet wird, wir hätten keinen freien Willen, dann braucht es uns nicht anzufechten, weil es eine systeminhärente Schwäche des Gehirns ist, die sich nicht umgehen lässt. Doch der Mensch agiert und reagiert eben nicht allein tierhaft. Er hat im Laufe der Evolution die Idee von der Verantwortlichkeit des Handelns entwickelt. Diese Verantwortung liegt bei allen geistig gesunden Menschen vor, denn kybernetisch betrachtet, ist das menschliche Gehirn ein Rückkopplungssystem. Ein solches System reagiert auf neu eintreffende Informationen und passt seine Struktur daran an; es ist lernfähig. Wenn ich also beim ersten, impulsiven Handlungsakt willenlos bin, dann nicht unbedingt beim zweiten. Wenn ich einmal aus einem Impuls heraus einen Rechtswissenschaftler geschmäht habe, muss ich es nicht ein zweites Mal tun, denn etwas anderes in mir hat die Oberhand gewonnen und gesagt: Jetzt lass den, der ist ja auch nur ein Mensch. Was da Oberhand gewonnen hat, war soziale Kontrolle. Sie existiert im Netzwerk der Mitmenschen, und wir haben Anteil daran, bemühen uns, vernünftigen sozialen Regeln zu entsprechen, atavistische Neigungen hingegen zu kontrollieren. Darum können wir uns auch gegenseitig verantwortlich machen für das Schlechte oder Gute, das wir einander antun.

Ein interessantes Phänomen ließ sich auf dem Podium beobachten. Als der alerte Diskussionsleiter Hoyningen-Huene, Professor für Philosophie, das Podium vorstellte, die Philosophin Bettina Walde, den Philosophen Ulrich Pothast und den schon genannten Herrn Merkel, da fehlte noch der Hirnforscher Gerald Hüther. Wie er dann verspätet eintraf, hatten die vier anderen sich schon so am Podium breit gemacht, dass er nur halbschräg auf der Ecke sitzen konnte. Das wiederum schwächte seine Position, so dass er während der gesamten Diskussion nicht richtig ins Gespräch kam und sogar fälschlich für die radikalen Leugner des freien Willens, (seine nicht anwesenden Fachkollegen Roth und Singer), in die Verantwortung genommen wurde. Die vier haben ihr unkollegiales Interagieren gar nicht bemerkt. Das hätte den Außenblick erfordert und eine Reflexion dieses gruppendynamischen Prozesses. Hier zeigte sich, dass der freie Wille zum Zwecke des sozialen Handelns erst aufgerufen werden muss, weil er sich nicht von selbst einstellt.

Abschließend wäre noch zu sagen, dass die Jazzband nicht schlecht gespielt hat. Aber auch nicht gut, sondern irgendwas dazwischen, was man hören kann, aber nicht muss. Wirklich nicht.
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Abendbummel - Der Bauch im Frühling

Es war schön heute im ergrünenden hannöverschen Stadtwald, der Eilenriede, und es wird wieder eifrig Sport gemacht. Noch überwiegen die Hageren, die Durchtrainierten, solche, die schon im Leibchen gelaufen sind, derweil es im Schatten noch kalt war. Sie haben den langen Winter über streng asketisch gelebt, sind nicht dagesessen, wenn sie haben stehen können, sind nicht gestanden, wenn Platz zum Gehen war, sind nicht gegangen, wenn es eine Möglichkeit gab zu laufen. Treppen zum Beispiel. Den Fahrstuhl haben sie selbstverständlich nie benutzt. Vielleicht haben sie auch ein Laufband im Hobbykeller. Solche Körperfetischisten sind derzeit im Wald schon unterwegs. Von Dickbäuchigen ist noch wenig zu sehen, was nur scheinbar ein Widerspruch ist.

Dickbäuchige kommen offenbar langsam aus dem Pudding. Den Vorsatz abzunehmen haben sie aber schon längst gefasst, weil die Hosenbünde zu eng geworden sind. Aber das Bauchgefühl sagt ihnen, dass die Zeit noch nicht reif ist. So ein Bauch ist mächtig, und je fülliger er ist, desto größer ist seine Macht. Will einer laufen, um den Bauch abzutrainieren, hält der Bauch ihn zurück. Er macht sich einfach schwer, so dass schon das Aufstehen mühsam wird. Und natürlich knurrt er beständig und ruft nach Atzung. Dem zu widerstehen, ist wirklich nicht einfach. Von außen hört sich das Bauchknurren eher unerfreulich an, weil Rumoren und Knurren eben keine schöne Melodie macht. Der inwendige Ruf des Bauches nach Essen scheint hingegen verlockender zu sein als der Gesang der Sirenen, vor dem sich schon Odysseus die Ohren verstopfen musste.

Ich sah einen Mann mit hellblauem Pullover kräftig ausschreiten und dachte, er hätte einen schlappenden Schuh. Doch als er näher kam, erkannte ich meinen Irrtum. Immer wenn er mit Links auftrat, klatschte der Mann mit der flachen Hand auf seinen Bauch. Plötzlich hörte er auf und pulte ausführlich im Ohr, holte etwas heraus und betrachtete es. Für einen Augenblick schien es, als würde er mit dem Krümel sprechen. Dann aber ließ er ihn achtlos auf den lichten Waldweg fallen. Ich weiß nicht, ob es sich beim Bauchklatschen und Ohrpulen um ein Ritual handelt, aber so etwas habe ich zuvor noch niemals gesehen. Wer freilich liebevoll seinen Bauch beklatscht, ist gegen übertriebene sportliche Kasteiung gefeit. Ein liebevoll geklatschter Bauch darf so füllig sein wie er will, nur dann ist er ein guter Resonanzkörper.

Teppichhaus Musiktipp: White Rabbits "Percussion Gun"
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Bei BILD am Sonntag wurde geweint, aber warum?

Es muss schrecklich zugegangen sein in den Redaktionsräumen von BILD am Sonntag. Ungefähr so: Wunderschöne Volontärinnen lagen über den Schreibtischen und flennten sich die Augen raus, gestandene Bürohengste standen schluchzend am Fenster, und selbst Herausgeber Kai Diekmann war völlig von seinem eigenen Körper überrascht, als er urplötzlich entdeckte, was es heißt, hemmungslos auf die italienischen Maßschuh zu weinen.

Unter diesem allgemeinen Geheule aber machte sich ein anderer Gedanke breit: Toll, dass die Polen-Promis noch rechtzeitig vor Redaktionsschluss abgestürzt waren. Was, wenn der Pilot vor seinem Landeversuch noch eine Schleife gedreht hätte? Dann wären sie am Ende viel später oder gar nicht abgestürzt. Und dann wäre das elende Gegurke mit dem geplanten Aufmacher weiter gegangen, wo die griffige Form sich einfach nicht einstellen wollte.

Irgendein Gegenstück für „Wir sind Papst“ hatte es sein sollen, weil es ratsam wäre, sich rechtzeitig zu distanzieren, bevor weitere Enthüllungen über Missbrauch durch Kirchenmänner und die Vertuschung der Straftaten durch den Vatikan die guten Deutschen in kollektive Mithaftung nehmen könnten. Die Headline:

WIR SIND GEGEN PAPST

war diskutiert, aber nach heftigen Kontroversen verworfen worden. Just in diesem Augenblick knallte die Meldung vom Absturz herein, und der rumste als Befreiungsschlag durch die BamS-Redaktion. Klar, wie die Schlagzeile der BamS jetzt lauten musste. Sie tauchte beinah gleichzeitig in den Köpfen auf, die nahezu wunderbare, rührende, familienfreundliche Schlagzeile:

Polen, wir weinen mit dir!

So einen Aufmacher hatte man schon lange nicht mehr. Das war ein richtiger Augennagel. Der würde sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Und da war es mit einem Mal gar nicht mehr schrecklich in den Redaktionsräumen der BamS. Der erste, flüchtige Eindruck hatte getäuscht. Was da floss, das waren Tränen der Dankbarkeit.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
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Sattelnotstand in Hannover - Felgenschlag in Aachen

Man hat mich beklaut, mich bestohlen, mir die Lampe vom Fahrrad abgezogen. Wer war das? Fluch über dich, du elender Mensch. Du sollst am eigenen Leibe fühlen, wie unangenehm es berührt, wenn man beklaut worden ist. Man klaue dir die Satellitenschüssel! Es ist nicht nur der Verlust von Licht, Bild und Ton, nein, es ist auch die ärgerliche Aussicht auf den Aufwand der Wiederbeschaffung und Montage, mal abgesehen davon, dass es auch noch Geld zu kosten beliebt.

Beim Discounter gab es heute preiswerte Fahrradsättel. Vielmehr waren schon alle weg, als ich gegen Mittag dort ankam. Nur noch das Schild war da, und das leere Korbfach gähnte mich an und sagte: „Ich habe meine Arbeit schon in aller Früh getan, als du noch faul in den Morgen gegammelt hast.“ Das fand ich ziemlich unverschämt, denn woher sollte ich wissen, dass in Hannover ein derart großer Notstand an Fahrradsätteln herrscht, dass man sich im Morgengrauen vor dem Laden anstellen muss und womöglich noch in Nahkämpfe verstrickt wird. Was ist denn bloß los in Hannover? Wo sind eure Sättel hin?

Mann - sein Fahrrad und Wolke
Vermutlich sind sie durchgescheuert oder mürbe geworden vom vielen Besessensein. Denn in Hannover fährt man gut und gerne Rad. Bisher sah ich keine Stadt, die ein solch ausgedehntes und gut angelegtes Radwegenetz hat. Jede Straße, die breiter ist als ein Eselspfad, hat mindestens auf einer Seite einen Radfahrweg, und manche Gassen sind überhaupt nur Fahrradstraßen, weil sie links und rechts Radwege haben, weshalb dann gar kein Platz mehr für die Autofahrbahn ist. Nahezu wunderbar ist die Absenkung der Bordsteine an Straßeneinmündungen. Sie sind derart sanft, dass man am liebsten nur auf und ab fahren würde. In Aachen hingegen sind die Absenkungen so ruppig steil, dass man sich einen Schlag in die Felge holen kann, weshalb man in Aachen auch mehr Fahrräder sehen kann, die einen Schlag im Reifen haben. Eigentlich hat jedes Rad in Aachen mindestens einen Schlag in der Felge. Man kauft sie schon so. Inzwischen muss ich zugeben, dass Aachen, an Hannover gemessen, eine Radfahrerdiaspora ist. Das liegt natürlich auch an den vielen Hügeln in und um Aachen, die ein Radfahrer ständig vor den Bauch bekommt. Da zweifeln die Stadtväter vermutlich daran, ob sie die Extremsportart Radfahren überhaupt fördern sollen.

Das Stadtgebiet von
Hannover dagegen ist flach, abgesehen vom Lindener Berg, von den Brücken über die Leine, die Ihme, den Mittellandkanal und über diverse Eisenbahnlinien und Autobahnen. Ziemlich abenteuerlich sind die Brücken über die Schnellwege im ausgedehnten Stadtwald, der Eilenriede. Manche führen in einer Art Parabel hinüber, die an ihrer steilsten Stelle gut 20 Prozent Steigung hat. Da hoch zu fahren, das ist ein bisschen wie Achterbahn. Die Kuppe ist so spitz, dass man zweifelt, ob man hoch über dem brandenden Autoverkehr überhaupt stehen kann. Auch hat man am Fuß der Parabel nicht die Gewissheit, dass sie auch eine andere Seite hat, so dass man mit leiser Sorge gen Himmel fährt. Die Erbauer dieser Kunstwerke haben vorsorglich an beiden Enden der Brücken rotweiß markierte Sperren angebracht. Daher kann man weder mit Schwung hinauffahren, noch vollstoff hinabsausen. Natürlich dient diese Vorsichtsmaßnahme auch der Sicherheit der Fußgänger.

Man hat ja schon von den wunderlichen Fällen gehört, dass sich Hund und Katze vertragen, sogar aus einem Napf fressen. So ähnlich wunderbar ist die friedliche Koexistenz der Hannöverschen Fußgänger und Radfahrer. Selbst wo sie sich den Weg teilen, geht alles gemessen, ruhig und höflich zu. Fußgänger lassen sich gelassen umkurven, Radfahrer fahren den Fußgängern kaum in die Hacken, man macht sich ohne viel Gewese Platz – ach, wäre die Welt überall so harmonisch. Ist sie aber nicht. Meine Fahrradlampe wurde gestohlen. Und ich bekam keinen neuen Fahrradsattel. Aber Lampen gab’s noch beim Discounter. Fahrradlampen gehen in Hannover nicht. Wenn der Hannoveraner eine Lampe braucht, dann klaut er eine.
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Kopfkino - Bitte geben Sie den Dingen einen Sinn

Aller innerster Sinn ist Sinn für Sinn.

Ein Zitat des Romantikers Novalis, bei Dr. Schein gelesen.

Der Gedanke, dass der Sinn aus dem Sinn für Sinn besteht, ist ziemlich verlockend. Er verlegt die Verantwortung für den Sinn ganz in den Menschen selbst. Er allein bestimmt in seiner Welt den Sinn, gibt den Dingen erst eine sinnvolle Bedeutung. Ein Romantiker wie Novalis sieht hierin vor allem die Verlockung, nämlich die abenteuerliche Grenzerweiterung des menschlichen Lebens und Erlebens. Denn nichts hindert ja den Menschen daran, den Dingen des Alltags eine eigenwillige Bedeutung zu geben, eine heiter-komische etwa oder eine geheimnisvolle.

Nüchtern betrachtet ist das Zitat ein Abgesang. Novalis macht eindeutig Schluss mit dem Sinn. Der innerste Sinn besteht aus Sinn für Sinn, - der Satz ist hermetisch. In ihm ist kein Platz für einen so genannten höheren Sinn von außen.

Mir gefällt das. Einerseits werde ich dadurch in die Verantwortung genommen, meiner Welt einen Sinn zu geben, anderseits habe ich die absolute Gestaltungsfreiheit, kann das zum Sinn erklären, was andere für Unsinn halten. Ein Freund, den ich aus den Augen verloren habe, hat zu seiner belgischen Villa wohl die längste Auffahrt Europas, vielleicht sogar der Welt. Sie reicht aus der Innenstadt von Aachen bis kurz vor Verviers in Belgien. Es handelt sich um seinen täglichen Weg zur Arbeit und zurück. Mein Freund erklärt: „Wenn ich mir sage, all die Leute in ihren Häusern entlang der langen Straße von Aachen bis zu meiner Haustür, die wohnen an meiner Auffahrt, ja, dann ist die lange Straße von Aachen bis zu mir meine Auffahrt.“ Soweit zur freien Sinngebung. Sie ist ein probates Verfahren, glücklich zu werden, ja, mein Freund schwört sogar darauf, dass sich das Leben meistens nach seinen Wünschen zu richten pflegt, weil er nämlich alles daran setzt, sich sein Leben gefügig zu machen.

Dem religiösen Menschen bietet Novalis nichts, nicht einmal Trost. Da gibt es kein höheres Wesen, keinen Sinn gebenden Gott. Es ist alles Menschenwerk, ersonnener Sinn. Warum sollten Menschen so etwas tun, sich einen eigenen Gott ersinnen, wo sie doch die Freiheit der Sinngebung haben? Warum sich künstlich schwächen und sich von einem imaginären Gott die Sinn-Regeln auferlegen zu lassen? Vermutlich hat es etwas mit Selbsterkenntnis zu tun: Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Wenn jeder nur seiner egoistischen Natur folgt, kann kein vernünftiges Gemeinwesen entstehen. Aber unter Egoisten diese Einsicht zu verbreiten, braucht es schon eine höhere Macht, also einen Gott als eine Sorte Übervater. Den sich zu denken, das kann manchmal sinnvoll sein. Friedliche Völker brauchen ihn kaum. Wo aber die Gewaltbereitschaft hoch ist, braucht man einen starken Gott. Und wie stärkt man ihn? Indem man andere zwingt, an ihn zu glauben. Mit diesem Eigensinn entfernt man sich zwangsläufig vom gewünschten Sinn.

Manchmal ist es also besser, gar keinen Sinn zu suchen. Ein Tisch ist ein Tisch, daran ich sitzen kann und meine Suppe löffeln. Und wenn ich sitze, sitze ich, und wenn ich löffle, löffle ich. Und das hier ist ein Blogeintrag. Er hat keinen höheren Sinn als den, dass ich eben erst über Sinn nachgedacht habe.
1627 mal gelesen

Plausch mit Frau Nettesheim - CERN-Espresso bitte

trithemius & Frau NettesheimFrau Nettesheim
Die Sache mit dem Hackerangriff war ja wohl ein Aprilscherz. Das haben Sie selbst gefingert, Trithemius.

Trithemius
Bewahre. Ich kenne das Wort
„gefingert“ nicht einmal, liebe Frau
Nettesheim. Glauben Sie denn im
Ernst, ich würde meine eigenen
Texte elektronisch destabilisieren und die Kunden absichtlich
verunsichern, womöglich sogar nervös machen?

Frau Nettesheim
Und wie kommt es, dass Ihre Ausflüchte bombenfest da stehen, obwohl Ihr so genannter Internetexperte gar nichts gemacht hat?

Trithemius
Sagen Sie ja nicht solche Wörter wie „bombenfest“. Wir sind hier nicht bombenfest. Bedenken Sie, wie fragil digital verbreitete Texte sind. Sie bestehen doch quasi aus Nichts und können jederzeit ausgelöscht werden, so dass niemand auch nur eine Ahnung davon hat, dass sie einmal bestanden haben.

Frau Nettesheim
Schlechter Stil.

Trithemius
Was?

Frau Nettesheim
Zwei abhängige Nebensätze hintereinander mit der
Gliedsatzkonjunktion „dass“.

Trithemius
Ach, Sie lenken nur ab, Frau Nettesheim, weil Sie Ihre bodenlose Unterstellung nicht beweisen können. Inzwischen glaube ich, dass die beiden Texte flackern, weil unser gesamtes Raumzeitkontinuum vorübergehend ein wenig instabil war. Vermutlich ein unerwünschter Nebeneffekt der Versuche im Teilchenbeschleuniger von CERN. Aber das nehme ich gern in Kauf. Grundlagenforschung ist wichtig. Man weiß noch nicht, wozu sie gut ist, aber irgendwann profitieren wir alle von den Ergebnissen.

Frau Nettesheim
Dass nenne ich eine nassforsche Behauptung. Sie wissen nichts darüber, sondern plaudern einfach was daher. Beweisen müssen Sie nichts, denn sollte sich ein Nutzen nicht einstellen, können Sie immer noch auf eine unbekannte Zukunft verweisen.

Trithemius
Sie werden es noch erleben, Frau Nettesheim, den Segen für die Menschheit. Dank CERN werden wir bald Espressomaschinen haben, die das Wasser mit Überlichtgeschwindigkeit ins Kaffeepulver schießen, so dass Wasser- und Kaffeemoleküle in einem kleinen Urknall verschmelzen. So einen köstlichen Espresso haben Sie noch nicht getrunken. Er ist fertig, bevor Sie die Espressomaschine überhaupt angeworfen haben, und von hier bis Feuerland werden die Menschen in Jubel ausbrechen und ihre Hüte in den Himmel werfen, so sie welche haben. Natürlich sind die Prototypen groß wie Einfamilienhäuser, aber man kann ja die Zimmer in die Außenhülle einbauen, wohnt dann quasi direkt in der Espressomaschine.

Frau Nettesheim
Na dann frohe Ostern, Sie Irrer, da lobe ich mir den Handaufguss.

Trithemius
Das ist beinah so schön, wie das hier:
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