Zirkus des schlechten Geschmacks

Es gibt Päckchen - im Zirkus schlechten Geschmacks

zirkus schlechten GeschmacksVorsicht, unsere sogenannten Leitmedien sind durchgeknallt, total von der Rolle, gaga in jedem Fall, geistig verwirrt, nicht ganz bei Trost, völlig bescheuert, nicht mehr zu retten. Gerne würde ich noch ein bisschen mehr Schimpf, Spott und Verachtung reinpacken, aber das Päckchen ist zu klein, und am Ende geht es noch hoch und versaut mir hier alles. Es ist sowieso nicht zu verhindern, dass wir in Zukunft die Zeit einteilen werden in die vor den Päckchen aus Jemen und jene nach den Päckchen. Ich glaube, es sind zwei, hab aber keine Lust nachzugucken. Schließlich hat sich schon der US-Präsident persönlich drum gekümmert, hat Päckchen-Pressekonferenzen gegeben, die britische Innenministerin, und der deutsche Innenheini auch. Ich weiß, wie diese Leute heißen, will es aber vergessen. Wenn die Herrschaften nämlich nichts Besseres zu tun haben, wegen dieser Päckchen einen Wind nach dem anderen zu lassen, dann mache ich mir mit deren Namen nicht mein Blog schmutzig.

Ein Name muss leider genannt werden, Obama. Er braucht die Päckchen dringend, um die drohende Niederlage der Demokraten bei den Kongresswahlen am Dienstag zu verhindern. Da kann er noch mal rasch beweisen, dass er ein ganzer Kerl ist, der sich, wenn’s sein muss, persönlich um alle CARE-Pakete kümmert, die von den Terroristen dieser Welt an die USA geschickt werden. Sie schweben da aus allen Richtungen virtuell vom Medienhimmel, insgesamt zwei, glaube ich. Die Polizei im Jemen hat auch schon zwei Kopftuchfrauen festgenommen, die ihren Absender auf die Päckchen geschrieben haben. Das gehört sich nämlich so, ist Vorschrift, da können auch Terroristen nix machen.

Und natürlich müssen sich alle Medien der westlichen Welt, aber auch wirklich alle, an dieser medialen PR-Posse beteiligen. Es gibt ja sonst nichts zu berichten. Was die US-Armee, die British Army und die deutsche Bundeswehr in Afghanistan so vom Himmel regnen lassen, solche Knallpäckchen verursachen nur Kollateralschäden, sind also kaum der Rede wert, vor allem, weil es nur um Kopftuchfrauen und deren Kinder geht. Heute registriert, morgen vergessen, denn die sind ja dann sowieso tot. Dieses ganze Sterben, Leid und Elend, das himmelschreiende Unrecht, das kriegt man ohnehin kaum in den Kopf rein. Aber Päckchen, die sind irgendwie leichter zu erfassen, vor allem solange sie nicht hoch gegangen sind, das ist Halloween-Kinderpost, da will jeder Redakteur gerne mitspielen - im Zirkus des schlechten Geschmacks.

Mehr: Zirkus des schlechten Geschmacks
1025 mal gelesen

Ich schreibe wie ... Rainald Goetz an den Presserat

Beschwerdeformular
Beschwerde FAZ

Hintergrund: Schreiben wie blöd - FAZ.NET auf Bauernfang
1471 mal gelesen

Schreiben wie blöd - FAZ.net auf Bauernfang

zirkus schlechten GeschmacksAm Sonntag, dem 10. Oktober 2010, saß der US-amerikanische Soul- und Rhythm-and-Blues-Sänger Solomon Burke in einem Flugzeug aus Los Angeles mit Ziel Amsterdam. Während der Landung auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol verstarb er an einem Herzanfall.

Nachdem der flämische Musiksender Studio Brussel den tragischen Todesfall zeitnah gemeldet hatte, sang Solomon Burke den von ihm komponierten Titel „Everybody Needs Somebody to Love“, eine beachtliche Leistung für einen Toten. Er wird wohl noch nicht ganz kalt gewesen sein.

Weil die Medien über gottgleiche Fähigkeiten verfügen, weil sie über den Tod hinaus jeden noch einmal auf die Bühne zerren können sooft sie wollen, wunderte ich mich kaum, als ich im Blog von Mimiotschka die Titelzeile las: „Kafka schreibt bei BILD“. Irgendwie werden die Halunken ihn reanimiert haben, dachte ich, haben ihm Blatt und Feder in die Hand gedrückt, und schon brachte der fügsame Franz seine kafkaesken Sätze zu Papier. Es war aber anders. Mimiotschka hatte einen Text aus BILD von einem Programm testen lassen, das man bei Faz.net finden kann. Faz.net wirbt:
„Ich schreibe wie … Franz Kafka? Oder eher wie Ildiko von Kürthy, Ingeborg Bachmann, Maxim Biller? Oder schreibe ich wie Goethe? Wenn Sie wissen wollen, ob Sie Stil haben und wenn ja: welchen - dann gibt es jetzt endlich eine absolut sichere und unbestechliche Messmethode. (…)“
Mit dieser absolut sicheren und unbestechlichen Messmethode hat das Testprogramm also Franz Kafkas würdige Nachfolger gefunden: die verschmockten BILD-Schreiberknechte. Bei einem Test, den der Kollege Noemix anschließend mit Schillers „Lied von der Glocke“ machte, kam an den Tag, die Ballade stammt eigentlich von Goethe.

Was haben sich die Redakteure von Faz.net dabei gedacht, ein derart lachhaftes Tool bereitzustellen? Sie rechnen mit der Eitelkeit der Internetnutzer, und ein Blick in die Blogosphäre zeigt, dass dieser Test sich großer Beliebtheit erfreut. Blogger vermelden, sie würden wie Rainald Goetz schreiben, wie Nietzsche, Charlotte Roche oder wie der unsägliche Maxim Biller. Mal abgesehen davon, dass dieses Programm nicht kann, was FAZ.net vollmundig verspricht, seit wann ist ein nachgemachter Schreibstil ein Qualitätsmerkmal? Offenbar handelt es sich um eine versteckte Werbeaktion für den Buchhandel, denn wer erfahren hat, in wessen Stil er angeblich schreibt, wird auf die entsprechenden Buchrezensionen in der FAZ hingewiesen. So geht Qualitätsjournalismus.

Das Testprogramm ist eine Adaption des englischen "I Write Like" von Coding Robots und stammt in der deutschen Fassung von Scribando, einem Literatur-Marketingunternehmen mit Sitz in Wien. Scribando preist seine Leistungen an mit den ulkigen Worten: „Kung Fu für eine neue Schriftstellergeneration“. Kung Fu beim Schreiben? Wie geht das? Muss man einen Stapel Dachziegel mit dem Kopf zerdeppern, um Mitglied dieser neuen Schriftstellergeneration zu werden? Ich wollte deren Hirnriss nicht lesen.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks

Ich schreibe wie Rainald Goetz an den Presserat
1927 mal gelesen

Vor dem Spiel und nach dem Spiel

In einem Land, da wird man heute weinen,
da werden Köpfe hängen und die Tränen rinnen
am besten heulen können, sollt’ man meinen
die Mamasöhnchen von den Argentinierinnen.

Die deutschen Fußballfans sind eher simpel,
durch Merkel und Herrn Westerwelle schon gestählt.
Der Deutsche schwingt noch als Verlierer Deutschlandwimpel,
Er hat das Elend nämlich selbst gewählt.

In einem Land, da wird man heute grölen.
Besoffen sich zum Korso in die Autos setzen.
Derweil die andren heftig über ihren Trainer nölen,
und sich vor lauter Frust das Maul zerfetzen.

Und auf der VIP-Tribüne stehen dunkle Herren.
Sie haben diese Schicksalsspiele ausgerichtet.
Indessen rundum blöde Vuvuzelas nervend plärren
Wird nicht nur Hoffnung, auch Verstand vernichtet.

Die Herren aber sind in jedem Fall Gewinner,
Sie haben wieder reichlich Geld im Sack
und freuen sich auf Edelnutten nach dem Dinner.
Was kümmert sie das heulende Verliererpack.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
1373 mal gelesen

Uwe Seeler spielt die Tanzmusik der Apokalypse

Bitte richten Sie die Vuvuzela nach oben!

„Ich war geschockt darüber, wie wenige sich hier eingefunden haben“, sagt der junge Mann auf der improvisierten Bühne ins Mikrophon. Er steht auf einem Kleinlaster, dessen Plane zu dem verlorenen Häufchen Demonstranten hochgeschlagen ist. Auch müssten bessere Slogans her. In der Tat sind die Transparente ziemlich unfertig vollgeschmiert. Da ist kaum zu erkennen, worum es überhaupt geht, nämlich um eine Demonstration gegen die Bildungsmisere an deutschen Hochschulen. Der Redner gibt sich redliche Mühe, versucht auch die Passanten anzusprechen, die an diesem Samstagmittag die Georgstraße entlanglaufen, eine der Fußgängerzonen im Zentrum von Hannover. Schließlich ginge es nicht nur um die heutigen Studenten, sondern auch um die Zukunft ihrer Kinder. Und das beträfe alle, auch die Polizisten.

Eine halbe Hundertschaft rundum, überwiegend junge Polizeikräfte folgen gelangweilt dem Geschehen. Pro Demonstrant ein Polizist, das ist eine luxuriöse Fürsorge, eine müßige Angelegenheit obendrein, denn etwas zu regeln gibt es nicht. Da ist nicht einmal eine Vuvuzela zu hören. Die Passanten eilen trotzdem vorbei, denn ab und zu fallen Regentropfen aus dem düsteren Himmel. Ja, wenn hier Lena auf dem Kleinlaster stünde, dann sähe die Sache anders aus. Dann hätte man sich schon zwei Stunden vorher eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern und der Regen, - ach, sind nur ein paar Tropfen. Selbstverständlich würde die Polizei sich zurückhalten, stünde irgendwo versteckt in einer Seitenstraße, um die gute Laune nicht zu gefährden. Sobald aber ein Demonstrant ein armseliges Pappschild hochhält, steht schon sein persönlicher Polizist nahebei. Was ist bloß los in diesem Land? Warum baut die Staatsmacht selbst bei mauskleinen Protesten eine derartige Drohkulisse auf, so dass ein unbefangener Passant denken muss, da geschehe etwas Illegales, wovon man sich besser eilig entfernt? Man sollte meinen, das gibt es nur in China, wo öffentliche Bekundungen erst gar nicht erlaubt sind und nötigenfalls brutal verhindert werden.

Das ist gespenstisch; es zeigt eine demokratische Gesellschaft auf Talfahrt. Die meisten leisten keinerlei Gegenwehr, rennen lieber zu jedem Spaßevent hin, saufen sich den Kopf zu und machen Party, hängen fadenscheinige Deutschlandlappen aus den Fenstern ihrer verrottenden Buden, und hat ihnen die Bank noch ein Auto zugestanden, dann klemmen sie diese elenden Plastik-Fähnchen ran, die nicht mal zum Arschwisch taugen, brüllen: „Tschland! Tschland!“ und „Isch liebe deutsche Land!“ Warum? Bietet ihnen dieses Land eine sichere Perspektive? Interessieren sich die gesellschaftlichen Eliten einen Deut für ihre erbärmlichen Schicksale? Im Gegenteil. Die Eliten betreiben lustvoll die Ausplünderung des Volksvermögens. Welchen Grund hat die verarmende Bevölkerung zu jubeln? Elf Millionäre spielen Fußball in Südafrika, und die vereinten Schmockmedien trommeln die Marginalie hoch zum Nationalereignis. Wenn die WM vorbei und vergessen ist, werden viele nicht nur ein paar Regentropfen abkriegen, es wird alternativlose Entscheidungen hageln wie Sau. Dann wird den meisten das Fahnenschwenken vergehen. Das enervierende Getröte der Vuvuzelas wird ihnen vorkommen wie die Tanzmusik der Apokalypse. Und "verdammte Axt!" die Vuvuzela-Ohrstöpsel sind ausverkauft.

TSCHLAND. Ein nationales Ereignis fand statt letzten Samstag am Steintor in Hannover, ein armselig kleiner Studentenprotest gegen die herrschende Unbildung, gegen die verordnete Verblödung eines Volkes. Er war vorzüglich abgeschirmt durch die Polizei.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
1599 mal gelesen

Teppichhaus Kurzfilmtipp: Verräter werden eliminiert

Merkel schaltet Köhler aus

FILMHANDLUNG

Bundespräsident Horst Köhler (Deckname: Mister 1,5 Volt) hätte die geheime Mission der Bundeswehr nicht ausplaudern dürfen. Jetzt weiß alle Welt, warum deutsche Truppen am Hindukush lauern und Afghanen erschießen. Noch am Abend besucht die als Zimmermädchen verkleidete Ostagentin Rosa Klebb (Deckname: Das Merkel) den Verräter und zeigt ihm den vergifteten Dorn in ihrem Züchtigungsschuh. Köhler flüchtet über den Balkon und legt sein Amt nieder. FSK-Prädikat: Besonders wertvoll! Freigegeben ab 12 Jahre - Verleih: Bundeszentrale für politische Bildung

1694 mal gelesen

Bitte noch mehr schlechtes Wetter

Vor einigen Jahren war ich an einem Sonntagmorgen zum Radsport verabredet. Der Himmel düster, immer wieder regnete es, aber ich setzte mich trotzdem aufs Rad und rollte zu meinem Trainingspartner hin. Er stand nicht vor der Haustür, also klingelte ich. Da guckte er oben im Unterhemd aus dem Fenster.

„Was wollen Sie?!“ rief er.
„Ja, was wohl, Radfahren!“
„Haben Sie mal hochgeguckt?“
„Ja, eben kam sogar die Sonne kurz raus!“
„Die hätten Sie aber fotografieren müssen.
Sonst glaubt Ihnen das keiner!“

An diesen Dialog muss ich in letzter Zeit immer wieder denken, womit das Thema Wetter weitgehend erledigt ist, denn meine Kamera ist kaputt. Allenfalls wollte ich noch sagen, dass man in der galaktischen Wetterzentrale einen Praktikanten rangelassen hat, und das seit Monaten. Das passt natürlich, denn wir werden ja auch von Praktikanten regiert.

Derzeit weinen die etablierten Massenmedien einem ausgemachten Schurken nach, der die Politik verlassen will. Das aber ist nur weiterer Müll, den sie in unsere Köpfe schaufeln wollen. Schurken wachsen schneller nach als Bedarf in Wirtschaft und Hochfinanz ist. Da muss erst ein Platz frei werden, man hat genug eigenen Nachwuchs, weshalb die Adepten so lange in die Politik gehen und ein Parkstudium in Verlogenheit, Hinterlist und kalt lächelnder Bosheit absolvieren. Aber nur, wem es gelingt, die Konkurrenten auszustechen und sich von verwirrten Wählern in irgendein Regierungspraktikum heben zu lassen, der hat Aussicht, bei den wahrhaft Mächtigen einen Beratervertrag zu bekommen und ihn mit Schampus zu begießen.

Gut, das Wetter macht mir üble Laune. Zum Schutz des Volkes vor sich selbst und seinen Antreibern sollte es noch eine Weile so bleiben. Sonst hängen wieder alle in den Biergärten rum oder liegen auf den Wiesen, und derweil ihnen der Grund unter Arsch und Bauch verramscht wird, lassen sie den lieben Gott einen guten Mann sein. Aber das ist er nicht. Wenn’s ihn gibt, dann will er die Welt, wie sie ist. Ein guter Gott würde uns nicht durch Praktikanten piesacken, sondern höchstpersönlich Verstand regnen lassen.

Tretet dAdA rein!

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
2432 mal gelesen

"Die Firewall Gottes" oder die Asche des Bösen?

Je absurder eine Gesellschaft, desto absurder sind auch ihre Krisen. Ein isländischer Vulkan bricht aus, und was er ausbricht, ist bei uns zwar nur im Abendrot zu sehen, verursacht aber ein unglaubliches Durcheinander in ganz Europa. Jetzt erweist sich, was ich mir vorher nie klar gemacht habe, dass nämlich ein Gutteil der so genannten Erdbewohner sich normalerweise ständig in der Luft befindet. Natürlich wechseln sich die Akteure ab, aber zu jeder Sekunde ist die Erde um ein paar Millionen Menschen leichter als man denkt. Und diese Millionen hocken jetzt zusätzlich auf der Erde rum und beschweren sich. Wenn das mal keine Erdbeben verursacht.

Vorsorglich hat sich der isländische Erste Vulkanminister Ólafur Ragnar Grímsson schon bei BILD für die „Asche“ entschuldigt, was nebenher die Frage aufwirft, wieso sich Frau Merkel nicht für den langen, harten Winter bei uns entschuldigt hat. (Immerhin wurde Kachelmann verhaftet.)

Flughafen Hannover

Man kennt es aus Katastrophenfilmen. Seltsame Dinge geschehen, ein Wissenschaftler kommt ihnen auf die Spur und warnt eindringlich vor einem drohenden Desaster, aber die Verantwortlichen ignorieren ihn. Das sind quälerische Minuten für den Zuschauer, so dass er froh ist, wenn es endlich zur erwarteten Katastrophe kommt. Dann sagt irgendein Politiker noch: „Was, zum Teufel, soll das?!“, und schon wird ihm von einem Außerirdischen oder einer Killerkakerlake der Kopf abgebissen, ersatzweise trägt ihn eine Monsterflutwelle davon.

Solche Filme haben unsere Politiker natürlich auch schon gesehen und gelernt, dass man auf Wissenschaftlerwarnungen immer hören muss. Daher ließen sie im Jahr 2005 beinah das gesamte Federvieh keulen, weil Wissenschaftler vor der Vogelgrippe gewarnt hatten, verschliefen 2008 die aufkommende Finanzkrise, weil die Experten abwiegelten, haben anno 2009 für ungezählte Millionen Impfstoffe gegen Schweinegrippe eingekauft, weil Wissenschaftler von einer Pandemie schwadronierten, und jetzt haben unsere Politiker den Luftverkehr in halb Europa lahm gelegt, weil Wissenschaftler Flugzeugabstürze vorausgesagt haben, ohne über sichere Daten zu verfügen.

Hier trotzdem Vorsicht walten zu lassen, wäre für sich genommen eine logische Entscheidung. Doch allein in Deutschland sterben jährlich etwa 4000 Menschen im Straßenverkehr, ohne dass der Verkehrsminister je auf die Idee gekommen wäre, vorsorglich alle Straßen zu sperren. Der Wert eines Menschenlebens hängt also davon ab, mit welchem Verkehrsmittel er unterwegs ist. Rational kann man das nicht nennen. All das sind deutliche Kennzeichen von Hysterie, und wenn auch der Einzelne nicht hysterisch sein muss, die Medien-Gesellschaft ist es.
1607 mal gelesen

Bei BILD am Sonntag wurde geweint, aber warum?

Es muss schrecklich zugegangen sein in den Redaktionsräumen von BILD am Sonntag. Ungefähr so: Wunderschöne Volontärinnen lagen über den Schreibtischen und flennten sich die Augen raus, gestandene Bürohengste standen schluchzend am Fenster, und selbst Herausgeber Kai Diekmann war völlig von seinem eigenen Körper überrascht, als er urplötzlich entdeckte, was es heißt, hemmungslos auf die italienischen Maßschuh zu weinen.

Unter diesem allgemeinen Geheule aber machte sich ein anderer Gedanke breit: Toll, dass die Polen-Promis noch rechtzeitig vor Redaktionsschluss abgestürzt waren. Was, wenn der Pilot vor seinem Landeversuch noch eine Schleife gedreht hätte? Dann wären sie am Ende viel später oder gar nicht abgestürzt. Und dann wäre das elende Gegurke mit dem geplanten Aufmacher weiter gegangen, wo die griffige Form sich einfach nicht einstellen wollte.

Irgendein Gegenstück für „Wir sind Papst“ hatte es sein sollen, weil es ratsam wäre, sich rechtzeitig zu distanzieren, bevor weitere Enthüllungen über Missbrauch durch Kirchenmänner und die Vertuschung der Straftaten durch den Vatikan die guten Deutschen in kollektive Mithaftung nehmen könnten. Die Headline:

WIR SIND GEGEN PAPST

war diskutiert, aber nach heftigen Kontroversen verworfen worden. Just in diesem Augenblick knallte die Meldung vom Absturz herein, und der rumste als Befreiungsschlag durch die BamS-Redaktion. Klar, wie die Schlagzeile der BamS jetzt lauten musste. Sie tauchte beinah gleichzeitig in den Köpfen auf, die nahezu wunderbare, rührende, familienfreundliche Schlagzeile:

Polen, wir weinen mit dir!

So einen Aufmacher hatte man schon lange nicht mehr. Das war ein richtiger Augennagel. Der würde sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Und da war es mit einem Mal gar nicht mehr schrecklich in den Redaktionsräumen der BamS. Der erste, flüchtige Eindruck hatte getäuscht. Was da floss, das waren Tränen der Dankbarkeit.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
1645 mal gelesen

Schreit euch frei, aber woanders

Wann immer ich am Hannöverschen Theater am Aegi vorbeikomme, schreien mich von einem Plakat die Scorpions an, und drei von ihnen zeigen sogar mit dem Finger auf mich. Der Grund dafür ist eigentlich keine Entschuldigung: Die aus Funk und Fernsehen bekannte Hannöversche Rockgruppe geht auf Abschiedstournee, weil ihre Mitglieder inzwischen in die Jahre gekommen sind. Vermutlich sind sie müde und auch irgendwie lustlos, denn man hat so ziemlich alles erreicht, was eine Rockband sich erträumen mag. Inzwischen wohnt man schön im Grünen, da draußen im Speckgürtel von Hannover, wo viele Millionäre sich dem luxuriösen Nichtstun hingeben.

Wurst-Scorpions

Ehrlich gesagt, habe ich die Musik der Scorpions nie gemocht. Sie zu hören, bereitet mir Unbehagen. Mir ist dann jedes Mal, als würden mir zwei frittierte Marsriegel in die Ohren gerammt, - plopp, plopp. Und du kriegst das klebrige, süße Zeug kaum wieder heraus. Will sagen, die Musik der Scorpions ist ziemlich aufdringlich, genauso aufdringlich wie ihr hoffentlich letztes Plakat.

Der für die scheußliche Bildidee des Plakats verantwortliche Fotograf hat vermutlich gesagt: "Na los, schreit euch frei! Zeigt, was ihr noch drauf habt!", und das haben die fünf eigentlich müden Männer dann getan, ohne Rücksicht auf mein ästhetisches Empfinden. Man kann solche erstarrten Posen einnehmen, darf wie Sänger Klaus Meine (Bildmitte) in die Knie gehen, als hätte man sich grad vom Topf erhoben, darf auch schreiend auf den blödsinnigen Fotografen zeigen, aber so ein Bild sollte doch besser nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Im öffentlichen Raum gilt es Rücksicht zu nehmen. Es ist nicht schön, sich von Wildfremden anschreien zu lassen, und die ausgestreckten Zeigefinger erscheinen mir wie die entsetzliche Drohung: Gleich gibt’s wieder zwei frittierte Marsriegel in die Ohren.

Lange konnte ich mich nicht dazu überreden, das aufdringliche Plakat zu fotografieren. Noch länger dauerte hat’s gedauert, bis ich wusste, woran mich die gequälten Gesichtsgrätschen der Scorpions erinnern: an Wurst-Achim, das lauteste Lebewesen der Welt.

Wurst Achim

abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
4310 mal gelesen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Teppichhaus Trithemius / Teestübchen Trithemius

Aktuelle Beiträge

Die Papiere des PentAgrion...
<img alt="Papiere des PentAgrion bd 2" style="margin:5px;"...
Trithemius - 23. Apr, 13:18
Die Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken...
Trithemius - 3. Feb, 09:49
Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den...
Trithemius - 3. Feb, 00:20
Die volle Wahrheit über...
Dienstagmorgen kurz vor der Teestübchen-Redaktionskonf ernenz....
Trithemius - 25. Apr, 19:16
Besser aufrecht sterben,...
Besser aufrecht sterben, als mit kalten Knien leben! Nach...
Lo - 25. Feb, 17:03
An einem Sonntagmorgen...
Allmorgendlich klappe ich den Tagesschau-Feadreader...
Trithemius - 25. Feb, 10:45
Teestübchen Humorkritik...
Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere...
Trithemius - 13. Feb, 17:30
Hallo Melanie,
welch eine Überraschung. Du bist mir offenbar nicht...
Trithemius - 3. Jan, 17:02

RSS Box

Links

Suche

 

Kalender

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Web Counter-Modul

Status

Online seit 6617 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:02

Credits


Abendbummel online
Bild & Text
Ethnologie des Alltags
Frau Nettesheim
freitagsgespräch
Gastautoren
Hannover
Internetregistratur
Kopfkino
Pataphysisches Seminar
Pentagrion
Schriftwelt im Abendrot
surrealer Alltag
Teppichhaus Intern
Teppichhaus Textberatung
Textregistratur
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development